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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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worden. Sie hatten es einfach vergessen. Jaimir war ihnen nicht minder unerreichbar und
     fern wie das Reich des Ostens vorgekommen – und in der großen Stadt angelangt, schien es immer noch zeitig genug, sie ins
     Vertrauen zu ziehen. Doch jetzt ließ sich dieses Thema nicht mehr umgehen.
    »Ohne dich und deine Hilfe schaffen wir’s nie!«, sagte Skip nachdrücklich. »Nicht bis an unser Ziel, und auch alles andere
     nicht.«
    »Alles andere   ...?«, wiederholte sie, unversehens nachdenklich geworden.
    »Ich kann’s dir nicht sagen«, murmelte Skip verzweifelt. »Nicht, ohne zuerst mit den anderen geredet zu haben.«
    »Ich glaube, dasselbe trifft auch auf dein Angebot an mich zu«, stellte sie trocken fest. »Bevor du mich und meine Klinge
     also in Dienst nimmst, solltest du ihre Billigung einholen.«
    Skip senkte den Kopf. »Ja, sollte ich«, flüsterte er. Sie hatte recht, natürlich. Auch Erle und Ellah mochten ein Wörtchen
     mitreden wollen in dieser Sache. Genau genommen war er sogar sehr sicher, dass insbesondere Ellah
eine ganze Menge
dazu zu sagen hatte.
    »Aber« – fuhr Kara fort – »selbst, wenn ich mir nur dein Angebot durch den Kopf gehen lassen müsste. Was ist mit Dagmaras
     Warnung? Sie ist die weiseste aller Cha’ori-Seher, und sie sagt, ich sei eine Gefahr. Willst du denn gar nicht auf sie hören?«
    Seine Gesichtshaut brannte wie unter heißen Sonnenstrahlen; neue Hoffnung keimte in ihm. Er starrte sie an. Sie überdachte
     sein Angebot. Mit etwas Glück würde sie zu ihren Gunsten entscheiden und mit ihnen weiterziehen. Um der Wahrheit die Ehre
     zu geben – sie so unglaublich nahe bei sich zu haben, machte ihn stark und zuversichtlich, was ihrer aller Zukunft anbetraf.
     »Dagmara hat sich getäuscht«, sagte |432| er mit fester Stimme. »Ich weiß es genau. Wenn wir einem Menschen auf Leben und Tod vertrauen können, dann dir, Kara. Nein,
     ich werde nicht auf Dagmara hören.«
    Sie neigte den Kopf zur Seite und musterte ihn lange. »Das«, sagte sie gedehnt, »ist ausgesprochen unklug.«
    Dies traf ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. »Warum sagst du das, Kara?«, hauchte er.
    Sie kam so nahe an ihn heran, dass er ihren Atem heiß an Hals und Wange spürte. »Weil es die Wahrheit ist, Skip«, sagte sie
     und betonte jedes Wort. »Es ist leicht, dein Vertrauen zu gewinnen. Früher oder später wird dir das zum Verderben.«
    Und bevor er sich’s versah, hatte sie sich abgewandt und die Sonne mitgenommen; sie klopfte Shadows Hals, nahm die Zügel auf
     und sortierte sie. Und noch einen weiteren Lidschlag lang dauerte es, bis er gewahrte, dass jemand hinter ihm stand – jemand,
     der intensiv nach Schweiß und gegerbtem Leder roch. Mit einem Schreckenslaut fuhr Skip herum und sah sich dem hünenhaften
     Fährmann gegenüber.
    »Endstation, Jüngelchen!«, grollte seine Stimme. »Jaimir, Marktplatz. Zeit, an Land zu gehen. Oder hast du’s dir anders überlegt
     und fährst mit mir wieder zur anderen Seite ’rüber?«
    Skip trat einen Schritt zurück, legte den Kopf in den Nacken – und hatte seine giftige Antwort bereits vergessen. Die Fähre
     lag sicher vertäut seitwärts an einem von unzähligen langen, hölzernen Stegen, und
überall
herrschte das unglaublichste Menschengewühl, das seine Augen je gesehen hatten! Es war, schloss er nach kurzem Rundblick,
     tatsächlich ein Marktplatz, der sich hier, dem Fluss zugewandt, öffnete und in Gestalt endloser hölzerner Stege gar noch in
     die Wasser hinaus erstreckte. Fern, jenseits der Menschenmassen, wurde er von einem Halbkreis hoher Gebäude begrenzt. Wie
     ein Schlafwandler kam Skip sich vor. Stand er noch immer wie verwurzelt auf dem schwankenden Fähr-Floß? Bewegte |433| er sich? Und wenn, wohin? Er vermochte es nicht zu sagen. Vergessen war längst auch der Fährmann. Skip konnte nur mit weit
     aufgerissenen Augen schauen, schauen, schauen. Noch nie hatte er eine solche Betriebsamkeit gesehen, in der alles zugleich
     geschah. Menschen unterschiedlichster Hautfarbe, Gestalt, Herkunft, vom in Lumpen gehüllten Bettler bis zum vornehm gekleideten
     Kaufmann – alle redeten, riefen, diskutierten, lachten   ... und schufen so einen Tumult, dem Augen und Ohren kaum zu folgen vermochten. Pferde, Maultiere und Esel zogen, von mürrischen
     Kutschern gelenkt und peitscheschwingend angetrieben, schmutzige vierrädrige Karren und schwere Bauern-Fuhrwerke; andere verweilten
     müßig, vor farbenfrohe, zweirädrige Wagen

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