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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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ungemütlich sein! Doch bereits, als Skip hineinschlüpfte und sie keuchend hochzerrte, befiel ihn ein ganz eigentümliches
     Empfinden: zu spüren, wie dieser dicke Stoff seine Beine von oben bis unten umfasste, fühlte sich
gut
an; steif und robust von außen, schmiegte er sich verblüffend weich an die Haut. Die Hose passte ihm – buchstäblich – wie
     angegossen, als sei sie allein für ihn geschneidert worden. Sie machte ihn schlanker und beweglicher – er fühlte sich sogleich
     wohl darin, und tatendurstig.
    Das Hemd bereitete ihm mehr Schwierigkeiten. Der Kragen |451| stand wie mit Eisenklammern verstärkt empor und würgte ihn, die Kragenflügel machten ihrem Namen alle Ehre – tatsächlich sah
     es aus, als umklammere eine Art Schattenflügler seinen Hals. Was er auch zu ihrer Zähmung unternahm – sie verweigerten jede
     Zusammenarbeit, scheuerten an Kinn und Wangen und drohten, falls er den Kopf unvorsichtig neigte, in seine Augen zu stechen.
     Und dazu kam ihm die Halsöffnung dieses Folterhemdes viel weiter vor als notwendig. Der weiche, graue Stoff vermochte dann
     seine Abneigung auch nicht mehr zu mindern. Nach kurzem, erbittertem Kampf gelang es ihm zumindest, dieses   ... vermaledeite
Ding
wie ein Badetuch locker um den Oberkörper herum zu drapieren.
    Mürrisch nahm er die kleinere der beiden Westen – in der Hoffnung, jenes zusätzliche Kleidungsstück bringe eine gewisse Ordnung
     in diese
Jaimir-Kostümierung
. Dann wurde auch schon gegen die Tür geklopft.
    »Wir sind noch nicht fertig!«, rief Erle.
    Skip fuhr herum und sah den Bruder nun gleichermaßen mit den störrischen Kragenflügeln kämpfen. Früher einmal musste Erles
     Hemd blau gewesen sein, doch vom häufigen Waschen schimmerte es inzwischen bläulich-grau ausgebleicht; trotzdem betonte gerade
     dieser Farbton seine Augen auf das Vorteilhafteste, und selbst in seinem augenblicklichen zerzausten Zustand sah er einfach
     umwerfend aus. Die enge Hose zeichnete die muskulösen Beine nach, der mächtige Oberkörper wurde durch das Hemd geradezu dekoriert.
Wie ein echter Reinblütiger sieht er aus!,
dachte Skip und war stolz auf den Bruder.
    Die Tür flog auf, und Kara trat ein. Ihr dicht auf den Fersen war ein zierlicher Junge zu sehen, in ganz ähnlicher Kleidung
     wie jener, mit der sie sich gerade plagten. Möglicherweise einer von Meister Gerns Gehilfen und geschickt, um ihre alten Kleider
     abzuholen.
    »Ich hab gesagt, wir sind noch nicht fertig!«, beschwerte |452| Erle sich durch zusammengebissene Zähne. »Du kannst nicht einfach so hereinplatzen!«
    Kara gluckste. »Schlag’ erstmal den Kragen um, großer Krieger«, riet sie ihm. »Komm, lass mich das machen!«
    Sie trat an ihn heran und zupfte und strich – und schon schnappte der Kragen wie durch Zauberei an Ort und Stelle und war
     von einem Plagegeist in eine ganz normale, wenn auch überflüssige Zierde verwandelt.
    Also nahm Skip auch mit seinem Hemdkragen den Kampf noch einmal auf – und zupfte und faltete und glättete, wie Kara es vorgemacht
     hatte. »Was für eine dumme Idee, solche Kleider zu schneidern!«, murrte er. »Haben sie hier nichts Besseres zu tun mit überschüssigem
     Stoff?«
    »Du machst das falsch!«, wies ihn der Junge hinter Kara zurecht. »Warte, ich helfe dir.«
    Er eilte herbei und machte sich nicht weniger kundig und energisch als Kara an dem Kragen zu schaffen. Erst jetzt erkannte
     Skip, wer da vor ihm stand.
    »Ellah!«, entfuhr es ihm.
    Erle ruckte herum, die Lederweste entglitt seinen Händen.
    »Ellah?«
    Sie wurde rot wie eine überreife Tomate.
    Wie Skip mit einigem Erstaunen feststellte, gab sie einen recht gut aussehenden Jungen ab. In ihren alten Walder-Kleidern
     hatte sie nur groß und mager ausgesehen, ohne dass auch nur die geringste weibliche Rundung zu erkennen gewesen wäre. Jetzt
     allerdings, in diesen dunkelbraunen, engen Männerhosen, dem lindgrünen Hemd und der ebenfalls dunkelbraunen Lederweste wirkte
     sie gänzlich anders; sie war kein dürres Klappergestell, oh nein. Die Kleider standen ihr ausgezeichnet, und Ellah   – Ellah sah darin aus, als hätte sie nie etwas anderes getragen. Genau genommen sah sie einem Jungen so ähnlich, dass –
    Dieses Mal schnappte Skip vernehmlich nach Luft.
    |453| »Deine Haare!«, flüsterte er. »Was hast du mit deinen Haaren gemacht?«
    Ellahs dicker, hüftlanger Zopf war verschwunden. Ihr Haar war noch kürzer geschnitten als Karas Haar; ordentlich lagen die
     Ohren

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