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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Morgensonne an. Dort, am anderen Ende der Planke, hatte sich breitbeinig ein kleiner Mann mit gewaltiger
     Leibesfülle und kahlem Schädel sowie einem Bartgestrüpp von der Farbe überreifen Weizens postiert und begrüßte Kara soeben
     mit lässigem Kopfnicken an Bord seines Seelenverkäufers. In der rechten, narbenüberwucherten Hand hielt er einen polierten
     Schwarzholzstab, und er sah aus, als verstehe er, damit umzugehen.
    An Erles Seite angelangt, blieb Skip stehen. Die Planke unter ihnen federte sacht. In den Schatten unter ihnen rauschten und
     wogten die Wasser des Elligar und schleuderten schaumige Fetzen zu ihnen empor.
    »Kühne Bübchen, eh?« Kapitän Hauer schnalzte mit der Zunge. »Wie heißt ihr denn?«
    »Lasst sie in Ruhe«, zischte Kara neben ihm.
    Hauer wirbelte herum und starrte sie aus wässrigen Augen heraus an. »Ich kann mich nicht dran erinnern, dass unser Handel
     auch ein Pferd umfasste«, brummte er und taxierte Shadow. »Und so lange ich auf diesem Kahn noch etwas zu sagen habe, Schätzchen,
     kommen keine Tiere an Bord.«
    Kara stand vor ihm und starrte ihn grimmig an.
    »Ein paar Kleinigkeiten sollten wir gleich jetzt klären,
Kapitän Hauer
«, sagte sie eisig. »Erstens, wenn Ihr mich jemals wieder
Schätzchen
nennt, werd’ ich Euch Euren eigenen Stab zu kosten geben.« Und schon hatte ihre Linke die Waffe des Mannes umfasst. Er ruckte
     daran und suchte sie ihrem Griff zu entreißen – doch weder Karas Hand noch der Stab ließen sich auch nur um Haaresbreite bewegen.
     Nach einem weiteren Versuch gab der Käpt’n auf und sah Kara mit gänzlich veränderten Augen an.
    »Zweitens«, fuhr sie fort, als sei nichts geschehen. »Das hier ist Shadow, und wo ich hingehe, geht auch sie hin. Wenn ich
     sehe, dass ihr auch nur das geringste angetan wird, schluckt Ihr Euren Stab – und zwar am Stück.« Unversehens |484| ließ sie die Waffe los und Hauer verlor das Gleichgewicht und taumelte zurück.
    »Drittens«, zählte Kara weiter auf und raffte Shadows Zügel. »Wenn mir zu Ohren kommt, dass Ihr die Jungen trietzt oder wie
     auch immer verletzt, finden wir heraus, ob Ihr genausogut schwimmt, wie Ihr Euren Kampfstab schwingt.« Damit ließ sie ihn
     stehen, führte die Stute von der Reling des Oberdecks weg und winkte ein paar Leute aus der Besatzung herbei. Einer wie der
     andere eilte sich, mit Heuballen beladen, ihr zu folgen.
    Käpt’n Hauers Blick ruhte noch immer auf Karas beeindruckender Kehrseite; wieder schnalzte er mit der Zunge – dieses Mal vielsagend.
     Dann erst schien er sich wieder an Erle, Skip und Ellah zu erinnern und wandte sich ihnen zu. Bewunderung strahlte aus seinen
     Schweinsäuglein.
    »Launisch, eh?«, brummte er. »Und was für einen Griff sie hat – ich meine, für ein Mädchen ihres Alters! Und diese Muskeln!
     Dieses erstens, zweitens, drittens   ... meinte sie das wirklich ernst?«
    »Hofft besser, dass es nur als Späßchen gemeint war«, riet ihm Skip und beobachtete, wie Kara Shadow im Bugbereich, in der
     Nähe der Mannschaftsquartiere, an einen Pfosten anleinte.
    »Mal seh’n, vielleicht lässt sich’s ja herausfinden«, murmelte der Käpt’n. Seine Stimme klang verträumt, und angesichts Karas
     katzenhaft geschmeidiger Bewegungen verschleierten sich seine Augen vor Gier. Skip suchte es so gut wie möglich zu ignorieren
     und drängte sich mit Erle und Ellah unwillig an ihm vorbei.
    Als er, an der Oberdeck-Reling der
Glücksgöttin
hoch über den Bootsstegen und dem Marktplatz von Jaimir stehend, zum Ufer zurückspähte, glaubte er inmitten der dort anwachsenden
     Menschenmenge einen braun-grün gefleckten Mantel zu sehen. Nur ganz kurz. Doch kaum dass er mit angestrengt |485| zusammengekniffenen Augen genauer hinsah, war bereits nichts mehr zu sehen.
    Er ist da
, zuckte es ihm durch den Sinn.
Er hat uns beobachtet. Er weiß genau, wo wir sind.
     
    Evan Dorn ging unwillkürlich langsamer, als er sich der Biegung des engen Ganges näherte. Etwas stimmte nicht! Die Stille
     zwischen den steinernen Wällen war nicht so, wie sie an diesem Ort, nur mehr eine Korridorbiegung von seinem achteckigen Schlafgemach
     entfernt, zu sein hatte. Und – nur im hinter ihm liegenden Gang brannten die Fackeln in den Wandhalterungen.
    Er berührte den großen Schlüssel in seiner Hosentasche. Höchstpersönlich, wie es auf
Dorn’s Trutz
üblich war, hatte er die Kammertür heute Morgen versperrt und den Schlüssel eingesteckt. Diesen wie auch den

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