Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
Vom Netzwerk:
keine Majat. Aber immer noch zu zweit.
    Etwas Weiches streifte seinen Nacken, und er wusste sogleich Bescheid. Eine seidene Quaste, die von hoch droben herab baumelte!
     Im gleichen Atemzug schon stand ihm ein rettender Plan vor Augen.
Wer hätte das gedacht
, schmunzelte er in sich hinein,
die Schleier eines herzöglichen Himmelbettes als Lebensretter.
    Wie ein Blitz fuhr Leben in seine reglose Gestalt; er pendelte den Oberkörper herum, fetzte den Schleiervorhang beiseite und
     schleuderte die qualmende Fackel geradewegs auf’s Bett. Kostbare harnarianische Seide ging in Flammen auf. |493| Tücher und Kissen verwandelten sich in feuerspuckende Gnome – gleich drei, vier, fünf lodernde Zungen schnellten gleichzeitig
     empor und zu den Schleiern hin – und fraßen sich brausend, begleitet von spektakulären Funkenschauern, über den Rahmen der
     Bettstatt zu den Quasten und Fransen voran. Die beiden gedungenen Mörder zogen sich panisch vor dem so plötzlich klaffenden
     Höllenschlund zurück.
    Faszinierend
, dachte Evan, während er schon den Riegel nach oben stieß und den Fensterflügel aufzerrte.
Man sollte ernstlich darüber nachdenken, diese Seide den Feuerwerkern des Hofes zu empfehlen.
Da saß er schon rittlings auf der Fensterbank, ließ sich hinausgleiten – und löste den Griff. Fiel durch Dunkelheit und Wind.
    Der Aufprall trieb ihm die Luft aus der Lunge und hallte mit tausend Schmerzstichen in seinem Körper nach. Der Sims ragte
     breit genug, jedoch war er auf seinem äußersten, sacht gewölbten Rand zu liegen aufgekommen, und Regen und Dreck zahlloser
     Jahrhunderte trugen das ihre dazu bei, ihn glitschig zu machen. Ganz gemächlich rutschte Evan ab, wiewohl er mit der freien
     Hand panisch nach einem Halt tastete und sich festzukrallen suchte. Fingernägel kratzten über Stein und splitterten. Schon
     ragten seine schmerzenden Füße und Waden über den Abgrund hinaus   ...
    Da endete die Rutschpartie. Evan atmete fast noch lauter als der Sturm und bekam doch kaum Luft. Er zog sich hoch, wartete,
     ertrug den Regen, zog sich weiter und wusste: Ein Sturz aus solcher Lage hinab auf die Pflastersteine des Burghofs war unmöglich
     mit heiler Haut zu überstehen. Mit einem letzten Zerren brachte er sich endgültig auf den Sims in Sicherheit; nun hauchten
     ihm die riesenhaften Steinquader der herzöglichen Residenz Eiseskälte entgegen – jedoch boten sie ihm auch Halt. An ihnen
     würde er sich entlangtasten können. Aber noch blieb er liegen. Noch rang er verzweifelt nach Luft.
    |494| Seine suchende Rechte fand des Vorfahren Schwert direkt neben sich liegend und schloss sich um den Griff.
Dem Allschöpfer sei Dank!
Nur eine Handbreite weiter rechts, und er wäre auf der eigenen Schwertklinge gelandet. Ohnedies hatte er nicht erwartet, so
     tief zu fallen. Von dort oben war ihm die Entfernung zwischen Fenster und Sims keinesfalls so beträchtlich vorgekommen.
    Regen strömte ihm übers Gesicht und hielt ihn bei Besinnung. Längst war er bis auf die Knochen nass. Bäuchlings und ausgespreizt
     auf dem Sims liegend, winkelte er versuchsweise die Beine an, dann die Arme, und vergewisserte sich, dass nichts gebrochen
     war. Über ihm wurden Flüche laut, und hektisches Streitgeplapper. Evan Dorn hob den Kopf und sah zwei Silhouetten vor dem
     hell erleuchteten Fenster abgezeichnet. Die Kerle waren in seinem Schlafgemach gefangen – eingeklemmt zwischen Flammenhölle
     und Fenster, gerade so, wie er noch vor kurzem. Es blieb ihnen kein Ausweg und allerhöchstens noch eine winzige Galgenfrist,
     dann waren sie gezwungen, ihm den Sprung ins Ungewisse gleichzutun. Schon im nächsten Moment musste sich das auch diesen Narren
     erschließen. Evan zog den Naseninhalt hoch. Es galt, keine Zeit zu verlieren.
    Er richtete sich langsam, ganz langsam auf. Schob sich hinkend, mit Schlurfschritten auf dem Sims entlang zum Stallhof hin.
     Dort angekommen, legte er eine Pause ein, um seine Klinge in die Scheide zu schieben. Daraufhin erst ließ er sich vorsichtig,
     Füße voran, über den Sims gleiten, hing kurz der Länge nach ausgestreckt und fiel dann abermals. Trotzdem landete er wie ein
     Geschoss auf der Dachschräge der Stallungen und sauste auf klappernden, berstenden Schindeln entlang in die Tiefe, wirbelte,
     immer noch viel zu hoch über dem gepflasterten Hof, über den Dachrand und kam wie durch ein Wunder auf den Füßen auf. Der
     eigene Schwung riss ihn, der sich instinktiv zusammengekugelt |495|

Weitere Kostenlose Bücher