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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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hatte, weiter, durch Pfützen und Pferdemist. Irgendwann lag er still. Beide Knie schmerzten entsetzlich. Er unterdrückte ein
     Ächzen und einen Fluch und wälzte sich herum, stemmte sich hoch und hastete dem nächstgelegenen Stall entgegen.
    Die ganze Zeit ließ er den Sims hoch über sich nicht aus den Augen, da er ständig damit rechnete, die Schattengestalten seiner
     Verfolger dort auftauchen zu sehen. Die in einen Mantel gehüllte Gestalt, die ihm bereits im Wege stand, bemerkte er deshalb
     erst, als er bereits mit Wucht gegen sie prallte.
    »He, Kerl!«, wurde er mit heiserer Stimme angefahren. »Was hast du hier im Stallhof herumzuschleichen?«
    Die Stimme war ihm vertraut genug. Evan Dorn hob den Kopf und mühte sich, des Mannes Gesichtszüge auszumachen. »Seid Ihr das,
     Og?«, flüsterte er.
    »Herzog?«, vergewisserte sich Og Tarn leise und gab Evans Arm frei.
    »Pscht!« Evans Hand lege sich über des Mannes Lippen. »Still!«
    »Aber was   –«
    »Ich brauche ein Pferd«, sagte Evan, und zum ersten Mal in seinem Leben fiel ihm auf, wie schwer es war, flüsternd einen Befehl
     wie einen Befehl klingen zu lassen. »Oder, noch besser – eine Reitechse. Die schnellste, die Ihr im Stall stehen habt.«
    »Aber warum   –«
    »Für Gerede ist keine Zeit!«, schnappte Evan dem Befehlshaber seines Wachkommandos entgegen. »Wenn Eure Loyalität nach wie
     vor dem Hause Dorn gilt, dann sorgt dafür, dass ich ein Reittier unter meinen Hintern bekomme –
jetzt!«
    Og Tarns Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an. »Ich komme mit Euch, Eure Erhabenheit«, erklärte er mit fester Stimme.
    |496| Evan sparte sich den Einwand. Der Mann mochte ihm nützlich sein. Es waren ihm nicht mehr viele treu ergebene Männer geblieben,
     sodass es mehr als angeraten schien, wenigstens diesen einen in seiner Nähe zu behalten.
    »Rasch!«, hauchte er Og zu. »Irgendwo dort, auf diesem Sims über uns, sind zwei Meuchelmörder. Es ist meine Überzeugung, dass
     Bruder Pavlos sie in mein Schlafgemach einließ – mit dem Befehl, mich zu töten. Sie können jeden Moment hier sein!«
    Og verschwand im Stall. Evan legte den Kopf in den Nacken, genoss kurz den kalten Regen in seinem Gesicht – dann hörte er
     Fluchen und Gebrüll auf dem Sims und drängte sich gegen die Stallmauer, um zu vermeiden, dass er von oben gesehen wurde. Es
     war noch nicht vorbei. Mit angehaltenem Atem lauschte er in die Nacht hinauf.
    »Verflucht! Tut das weh!«, jammerte dort oben eine Stimme.
    »Hoch mit dir, Jareth, du Narr! Wo ist er hin?«
    »Ich kann nicht aufstehen!«
    »Freilich kannst du! Los!«
    »Ich mein’s ernst, Sadeel! Ich glaube, ich hab mir das Bein gebrochen!«
    »Du wirst mit mehr als nur einem zerschmetterten Bein enden, wenn du jetzt nicht sofort aufstehst,
Entenfratze
! Oder sehnst du dir Gallens Schicksal herbei? Hast du schon vergessen, was Seine Heiligkeit uns einschärfte?«
    Der Allheilige Vater? Evan wollte kaum seinen Ohren trauen. Natürlich ergab so Bruder Pavlos’ Verrat einen Sinn – und er
wusste
, dass es der Hauspriester gewesen war, der den beiden Männern Tür und Tor zu ihm geöffnet hatte. Keinem anderen in diesem
     verfluchten Steinhaufen namens
Dorn’s Trutz
war es in einer Nacht wie dieser möglich, auch nur in die Nähe seines Schlafgemachs zu kommen.
Aber   – Seine Heiligkeit?
Hatte er in all diesen Jahren dem Falschen misstraut |497| ? Evan würgte. War das Auge der Heiligen Kirche schlussendlich nun doch seines Anblicks überdrüssig geworden?
Daemur
, dachte er hilflos,
Daemur.
    Doch gleich darauf gewann sein rationales Denken wieder die Oberhand:
Merk’ dir ihre Namen. Sadeel und Jareth. Eines Tages könnte ein solches Wissen nützlich sein.
    Og Tarn tauchte in der Toröffnung auf; er führte zwei gesattelte Reitechsen hinter sich her. Evan legte einen Finger an die
     Lippen und deutete mit einem Kopfrucken nach oben. Og Tarn verstand sogleich.
    »Öffnet das Tor!«, wies Evan ihn kaum hörbar an. »Und dann auf und davon, wie die wilde Jagd!«
    Er nahm ein Zügelpaar entgegen und beobachtete angespannt, wie Og über den Hof ging. Der Regen versiegte zu einem Tröpfeln,
     und die Stimmen und Geräusche, die nach wie vor über ihm, auf dem Sims, laut wurden, trugen weiter als zuvor durch die Nacht.
    »He!«, brüllte nun die eine Stimme. Og Tarn stoppte und drehte sich langsam um. Er machte einen müden und irritierten Eindruck
     – ein Mann, der in einer Regennacht wie dieser gezwungen

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