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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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sah Raishan geradeheraus ins Gesicht. Mit nahezu hörbarem Klirren kreuzten sich ihre Blicke.
    »
Shelah
, Aghat«, sagte Raishan ganz unnatürlich ruhig.
    Karas Linke zuckte zur Schulter empor. Zischend glitt die dunkle, schmale Klinge aus jener stabähnlichen hölzernen |545| Scheide, die sie auf ihren Rücken gegürtet trug. Und dann war alles nur mehr ein Huschen und Schwirren.
    Der Raum hallte wider vom Singen der Klingen, die einander so rasend schnell umtanzten, dass kein menschliches Auge zu folgen
     vermochte. Skip versuchte es trotzdem – und tatsächlich ahnte er mehr, als dass er es wirklich sah, wie nun auch Karas Rechte
     nach hinten zuckte, hin zur Unterseite des schwarz-glänzenden Holzstabes, und mit einem zweiten Schwert zum Vorschein kam
     – einem Zwilling des ersten.
    Das also war das Geheimnis ihres
hagdala
.
    Skip hatte niemals auch nur geahnt, dass sich in dieser Stabscheide
zwei
Klingen verbargen – eine, die von oben her, und eine zweite, die von unten her blankzuziehen war. Auf der langen Reise durch
     die Waldlande und flussaufwärts, nach Aknabar, hatte sie die zweite, geheime Waffe dank ihres unglaublichen Kampfgeschicks
     nie ernstlich benötigt.
    Bis jetzt.
    Es schien ganz und gar unmöglich, dass menschliche Wesen sich
so
zu bewegen vermochten. Er hatte Kara kämpfen sehen, hatte gesehen, mit welch unglaublicher Präzision Raishan in Jaimir den
     umgeworfenen Bierkrug mitten im Fallen auffing – doch angesichts dieses mörderischen Schwertkampfes wusste er nun: das alles
     war für jene beiden kaum mehr als harmloses Geplänkel gewesen.
    Karas Schläge schienen von allen Seiten zugleich zu kommen. Ein auf Raishans linkes Auge gezielter Stoß und ein von der Seite
     her zischender Hieb in Höhe seines rechten Knies – fast kam es ihm so vor, als sei es ein und derselbe Angriff. Die Klingen
     in ihren Händen waren flirrend heranhuschende Luft, die tödlich schnell und tödlich präzise auch die geringste Schwachstelle
     seiner Verteidigung aufzuspüren und zu durchstoßen suchte. Sie ließ ihm keine Zeit, zu Atem oder auch nur zum Nachdenken zu
     kommen. Und doch zeichnete sich dieses Mal ab, dass sie ihren Meister gefunden hatte.
    |546| Raishan parierte jeden ihrer Hiebe. Sein Schwert war überall, es folgte Karas Bewegungen mit solch präzise gewobenen Mustern,
     dass die drei Klingen fast zu einer einzigen verschmolzen. Phantomen gleich umkreisten die beiden einander, eines jeden Gesicht
     starr und bis in die kleinste Muskelfaser beherrscht, eines jeden Bewegung auf’s Präziseste darauf ausgerichtet, dem Widersacher
     größtmöglichsten Schaden beizubringen – doch wie sie im Widerhall ihrer Klingen aufeinanderprallten, ergab sich rasch, dass
     der eine wie der andere die zerstörerische Gewalt seines Gegenübers zu neutralisieren verstand.
    So ebenbürtig waren sich die beiden Diamant-Majat, dass es unmöglich war, vorherzusagen, wie dieses Duell ausgehen mochte.
     Eines nur stand fest: sobald einem von ihnen auch nur der geringste Fehler unterlief, bedeutete dies seinen sofortigen Tod.
     Nur – keiner dieser beiden schien einen Fehler zu begehen. Perfekt waren ihre Bewegungen. Wie in einem Geistertanz gefangen,
     wunderschön und tödlich gleichermaßen anzusehen, umwirbelten sie einander. Sie zu beobachten, war beängstigend. Skip hörte
     sich mit den Zähnen knirschen. Er wollte schreiend eingreifen in diesen tödlichen Reigen, und unsichtbar werden und fortlaufen.
     Und doch blieb ihm keine andere Wahl, als gebannt zu starren – genau wie seine Gefährten; genau wie auch der Priester in der
     schwarzen Kapuzenrobe; genau wie die Masse der stahlgepanzerten Ritter, die sich unmerklich in Meisterin Ybas Gaststube geschoben
     hatte. In stählerne Platten eingraviert, die sie an der linken Schulter angebracht trugen, schimmerte das Symbol des Heiligen
     Sterns.
    Raishans Schwert war länger und schwerer als Karas schlanke Zwillingsklingen. Und genau wie sie führte er es mit zauberischer
     Leichtigkeit, die freie Hand von sich gestreckt, um, wie Skip im Verlauf seiner Unterrichtsstunden von Kara gelernt hatte,
     jederzeit das Gleichgewicht zu wahren |547| und den Gegner von der Schwerthand abzulenken. Längst war offensichtlich geworden, dass jede einzelne dieser ihrer Waffen
     – bestens ausbalanciert – perfekt zur Kampftechnik ihres jeweiligen Trägers passte und ihm wie eine stählerne Verlängerung
     des eigenen Fleisches und Blutes war. Die unterschiedlichen

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