Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
Vom Netzwerk:
verdammtes Folterinstrument gewesen. Bretter – blanke Bretter malträtierten seinen Rücken! Und das ihm, der er sein
     Leben lang stets in weicher Seidenbettwäsche geschlafen hatte.
    Wo, zur Hölle, befand er sich?
    Er versuchte, sich aufzusetzen.
    »Gemach, Eure Erhabenheit«, riet ihm eine Stimme dicht am rechten Ohr.
    Hände stützten ihn fürsorglich. Für einen Moment schloss er noch einmal die Augen, da es galt, Schwindel und Übelkeit in ihre
     Grenzen zu weisen. Dann riss er sie wieder auf, zornig wie selten.
    Der Rest des Raumes war kaum weniger schmucklos als |578| jene Decke. Um genau zu sein – nach des Herzogs Maßstäben konnte er nur mit viel gutem Willen überhaupt als
Raum
bezeichnet werden. Selbst die
Schränke
in seiner Residenz-Burg waren größer als das hier.
    Doch jedes Nachsinnen über diese empörende Umgebung verging ihm, als er nun doch behutsam den Kopf drehte und die Schattengestalt
     bemerkte.
Nein, kein Schatten.
Ein Priester, der, seine nachtschwarze Kapuzenrobe wie fröstelnd um sich geschlungen, nur ein paar Schritt weit entfernt von
     dieser Pritsche stand. Die Kapuze war weit genug aus der Stirn zurückgestreift, sodass Evan das scharf geschnittene Gesicht
     und die schnabelartige Nase gut genug zu erkennen vermochte, obgleich noch genügend Schatten darauf verblieben waren.
    »Allehrwürdiger?«, entfuhr es ihm. »Welch unerwartete Ehre! Liege ich im Sterben?«
    Haghos antwortete mit einem herrischen Wink, und sogleich zogen sich die stützenden Hände zurück. Evan schwankte und kippte
     nach links, gegen die Wand. Auch diese Wand schwankte. Dennoch suchte er sich mit fahrigen Händen verzweifelt daran festzuhalten
     und wenigstens einen Rest von Würde zu wahren.
    »Ihr könntet durchaus sterben, Sturmgebieter«, sagte Haghos mit einer Stimme wie raschelndes Laub. »Es liegt gänzlich bei
     Euch.«
    Dorn wand sich herum, bis er gegen die Wand gelehnt zu sitzen kam, und entspannte die vor Schmerz lodernden Muskeln. Es war
     ihm unmöglich, ein Gift zu benennen, das eine solche Wirkung zeitigte. Seine einzige Hoffnung war, dass sie sich nun, da er
     erwacht war, rasch genug verlor.
    »Nach der überschwänglichen Einrichtung dieses   ... edlen Gemachs zu urteilen«, sagte er betont spitz, »muss ich annehmen, dass wir uns in Aknabar aufhalten. Eingedenk aller
     Schwierigkeiten, die Ihr auf Euch genommen habt, um mich |579| von Tandar hierher zu schaffen, sodass mir die ganze Labsal Eurer unendlichen Gastfreundschaft zugute kommt, vermute ich des
     weiteren, dass ich Euch noch von Nutzen sein kann.«
    Seine Heiligkeit trat einen Schritt näher, der schwere Robensaum tuschelte mit dem staubigen Boden. »Wir benötigen Euch, um
     die Königsprobe durchzuführen, Sturmgebieter«, sagte Haghos schlicht.
    Dies kam unerwartet. Evan verwarf das Erste wie auch das Zweite, das zu sagen ihm auf der Zunge lag, und suchte nach einer
     passenderen Erwiderung. »Gehe ich recht in der Annahme,
Allheiliger Vater
, dass Ihr jenes gespenstische Halbwesen vom Schwert auf die Probe zu stellen gedenkt, das Ihr vor dem Konzil dereinst so
     wirkungsvoll aus dem Hut gezaubert habt?«
    Seine Heiligkeit schüttelte sacht den Kopf. »Nicht ganz«, verwahrte Haghos sich. »Obwohl Euer Beistand in dieser Angelegenheit
     in der Tat von unschätzbarem Wert gewesen wäre.«
    »Angst, die Klinge mit eigener Hand zu führen?«, erkundigte Evan sich im Plauderton und zwinkerte dem Allehrwürdigen zu.
    »Ihr vergesst Euch, mein Sohn!«, wies Haghos ihn mit väterlicher Stimme zurecht. »Das Heilige Buch verbietet es mir strikt,
     eine Waffe auch nur zu berühren.«
    Evan nickte. »Vergebt mir, Hochehrwürdiger«, sagte er. »Ich weiß, ich sollte mich nicht erdreisten, Eure allheiligen Motive
     infrage zu stellen. Doch will ich Euch daran erinnern – das erste Schwert ist nach wie vor verschollen. Nun mag ich freilich
     nichts Besseres zu tun haben, als auf Geheiß Eurer Heiligkeit unschuldige Männer abzuschlachten, doch wie, um Himmels willen,
     kommt Ihr darauf, dieser Mumpitz könnte vom Volk als
Königsprobe
akzeptiert werden?«
    Der Allheilige Vater stand nur reglos da, und nichts geschah. Doch dann geschah alles zugleich: Evan spürte, wie |580| Klauenfinger aus frostigem
schwarzem
Licht in seinen Schädel stießen, ihn gegen die Wand schleuderten, wieder und immer wieder, und ihn von innen her zerfleischten.
     Zerfleischten, bis er brüllte vor Schmerz. Seine Heiligkeit lächelte freudlos und beugte

Weitere Kostenlose Bücher