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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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er mit überraschend klarer Stimme. »Herangewachsen zu Männern. Oh, wie ich mich um euch sorgte, Jungs.«
    Er wandte ihnen den Rücken zu, ging in der Kammer umher |575| – immer rundherum, bis er schließlich abermals bei ihnen stehen blieb. Sprachlos waren sie allesamt – doch Ellah zumindest
     überwand die Verblüffung schnell genug. »Ihr kennt sie?«, fragte sie behutsam. Doch der Mann ignorierte sie.
    »Mein ganzes Leben verbrachte ich damit, dich von diesem Ort fernzuhalten, mein Junge«, murmelte er, und sein Blick huschte
     von Erles zu Skips Gesicht, schneller, immer schneller, sodass es kaum möglich war, zu sagen, mit welchem von ihnen er denn
     nun sprach. »Mein ganzes Höllenleben lang.«
    Er nickte, drehte sich um, schlurfte zittrig zu seinem Strohlager zurück und legte sich, das Gesicht der Mauer zugewandt,
     darauf nieder.
    Skip ließ sich bei ihm in die Hocke nieder. »Woher kennt Ihr uns?«, fragte er.
    Der Mann schwieg still, bis es schien, als habe er sie vergessen – oder verweigere die Antwort. Dann drehte er sich plötzlich
     mit einem wilden Ruck herum und starrte ihn mit hervorquellenden Augen an. »Euretwegen bin ich hier!«, flüsterte er. »Und
     nun seid auch ihr in dieser Kammer gefangen. Von
ihnen
. Oh, wie es schmerzt, zu sehen, dass mein Lebenswerk gescheitert ist.«
    Mit einem Schlag kam er Skip überhaupt nicht mehr wie ein Irrsinniger vor. Ganz im Gegenteil schien es ihm, dass dieser Mann
     genau wusste, wer er war.
    »Aber wir haben uns doch noch nie gesehen«, wandte er ein.
    Der Mann stemmte sich auf einen Ellbogen hoch und brachte sein Gesicht ganz dicht an Skips Gesicht heran. »Wirklich nicht,
     Junge?«, fragte er, und Skip ertrug den stinkenden Atem in größter Not.
    Es
war
das Narbengesicht aus seinen Träumen. Aber zweifelsohne älter. Auch loderte in diesen Augen kein verzehrender |576| Hass. Nicht grausam blickten sie, nur müde und unendlich traurig.
    Wie konnte das sein? Wie erklärte sich das alles?
    Skip schluckte mühsam. »Ich – ich erinnere mich nicht«, hauchte er hilflos.
    Der Mann lächelte, und die Pergamenthaut des hohlwangigen Gesichts zerknitterte in tausend Falten und Runzeln. »Natürlich
     nicht, Junge«, sagte er sanft. »Natürlich nicht.«
    »Wer seid Ihr?«, fragte Erle gebieterisch.
    Nun wurde er von dem Mann mit der Narbe angeblickt. »Ich werd’s euch sagen. Irgendwann einmal. Für heute jedoch verrat’ ich
     euch nur meinen Namen: Bartholomeos.
Bruder Bartholomeos
, ja, der war ich vor langer, langer Zeit, in einem anderen Leben, im fernen Hochdorn.«
    Damit ließ er sich wieder auf sein Lager zurückfallen und zerrte faulendes Stroh an sich heran und über sich, bis nur mehr
     sein Kopf zu sehen war. Dann schloss er die Augen und drehte sich um.
    Skip richtete sich auf; es war ihm sehr unbehaglich zumute. Da ihm nichts Besseres zu tun blieb, harrte er noch eine ganze
     Weile an Bruder Bartholomeos’ Lager aus. Schon bald jedoch wurden die Atemzüge des Mannes tief und gleichmäßig – er musste
     eingeschlafen sein.
    »Suchen wir uns ein Plätzchen, an dem wir unser Lager aufschlagen können«, meinte Erle lakonisch. »Sieht so aus, als könnten
     wir uns auf einen längeren Aufenthalt einrichten.«
    Da hörten sie einen kratzenden, scharrenden Laut – hinter sich. In jenem Teil der Wand, in welchem sie die geheime Tür eingelassen
     wussten.
    Ein steinernes Knacken ertönte und die Tür schwang beiseite.

|577| Der Tempel
    Evan Dorn schlug die Augen auf. Sein ganzer Körper fühlte sich wie eine einzige Wunde an. Ein seltsamer Laut ganz am Rande
     seiner Wahrnehmung, ein Schnappen, wie von einem Köter, der sich einen blutigen Knochen zu sichern suchte, bewahrte ihn davor,
     wieder einzuschlafen. Ein sehr störender Laut. Er wusste nicht zu sagen, ob er nur Einbildung war.
    Verärgert mühte er sich, um sich her Einzelheiten auszumachen – ohne den schmerzhämmernden Kopf auch nur um Haaresbreiten
     zu bewegen. Der Raum war ihm nicht vertraut. Die rissige steinerne Decke schien selbst für seine Residenz-Burg
Dorn’s Trutz
in Tandar zu schlicht. Nein, der alte Steinhaufen war es nicht, der sich da über ihm türmte.
    Etwas regte sich in seinem Verstand.
Tandar
. Hielt man ihn dort nicht längst für tot? Ermordet in einer dunklen Straße, irgendwo im brodelnden Gedärm der Kronstadt?
    Zumindest eines aber wusste er mit absoluter Sicherheit – keine Bettstatt, auf der er sich je niedergelegt hatte, war ihm
     ein solch

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