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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Saal herein ergoss. Das schwarze Herz setzte einen Schlag lang aus;
     die Sturzflut ungeheuerlicher Energie versiegte jäh.
    |593| »Majat!«, entfuhr es dem Allheiligen Vater ungläubig.
    »Ich will niemandem auch nur ein Haar krümmen«, sagte Kara mit zynischer Eisesstimme. »Aber nun halt’ ich schon mal in jeder
     Hand eine geladene Armbrust, und beide sind auf Euch angelegt, Heiligkeit. Also – wenn wir   –«
    »Bruder Boydos!«, zischte der Allheilige Vater.
    Der Angesprochene trat mit fliegenden Robenschößen vor. »Eure Arbeit ist getan, Majat«, protestierte er schrill. »Ihr habt
     Euer Unterpfand zurückerhalten.«
    »Wenn das hier vorbei ist, Bruder, bin ich gern bereit, Euch gewisse Majat-Regeln auseinanderzusetzen«, sagte sie, geisterte,
     von einer Lichtflut umwabert, in den Tempelsaal herein und zur Seite, sodass sie eine Wand im Rücken hatte, und tatsächlich
     hielt sie eine Armbrust in jeder Hand. »Lasst die Jungen gehen!«
    »Die Majat-Gilde wird davon hören!«, drohte Boydos schwach, beide Augen gebannt auf die Stahlspitzen der Bolzen gerichtet.
    »Aber sicher doch«, sagte Kara. »Und jetzt, bewegt Euch! Schneidet sie frei
, Heiliger Bruder.«
Mit ätzendem Hohn sprach sie seinen Titel aus.
    Kara?
Skip wusste kaum, wo ihm der Kopf stand; der steinerne Himmel des Tempels schien auf ihn herabgestürzt zu sein. Da musste
     er hilflos mitansehen, wie der Allheilige Vater sich in Bewegung setzte.
    »Legt Eure Waffen nieder, Majat-Kriegerin!« Seine Stimme zischelte wie tausend Schlangen. Und das ungeheuerliche, schwarze
     Herz der urgewaltigen Titanenmacht tief in ihm begann wieder zu schlagen. Es pumpte neue unsichtbare Sturzseen puren Verderbens
     aus ihm heraus. Wie hundert vereinigte Elligar-Fluten durchbrausten sie den Tempel und rissen alle Bewegungen an sich, bis
     nur noch tödliche Reglosigkeit und Stille herrschten.
    Er lähmt ihren Verstand
, dachte Skip. So
funktioniert seine
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Ghaz Alim.
Doch hatte sie keine Macht über
ihn
, obgleich er ihre tobenden Klauen sehr wohl auch in sich spürte.
    Die erste Armbrust entfiel Karas plötzlich widerstandsloser Hand und schlug mit einem weithin hallenden Laut auf dem Boden
     auf. Der Bolzen der anderen prallte mit einem Klirren irgendwo harmlos gegen die Wand. Dann schepperte auch die zweite Armbrust
     zu Boden.
    Selbst Kara, Majat im diamantenen Rang, war der Macht des Allheiligen Vaters hilflos ausgeliefert.

Die Königsprobe
    Sturzseen.
Das schwarze Herz des Allheiligen Vaters pumpte und pumpte, und seine Titanenmacht glich der Macht reißenden Wassers.
    Wasser.
    Skips Augen wurden schmal; tief in ihm rastete etwas mit rostigem Scharren ein, und er erinnerte sich jenes besonderen Tages
     auf Kapitän Hauers
Glücksgöttin,
an Karas und seinen Schwertkampf auf dem Oberdeck – daran, wie er plötzlich, todmüde und erschöpft, imstande gewesen war,
     in der Strömung des Wassers nicht mehr den Feind zu sehen, sondern sich stattdessen mit ihr zu verbünden und an ihrer enormen
     strudelnden Macht teilzuhaben. Sie in seine Schwerthand, in seine Klinge zu kanalisieren.
    Plötzlich glaubte er zu begreifen. Es war allein eine Sache des Widerstandes. Wer sich einer übermächtigen Kraft erwehrte,
     der wurde davon niedergerungen. Nie konnte er’s vollbringen, zu siegen, solange er sich widersetzte. Er musste
loslassen.
    Er schloss die Augen. Setzte jenen Fluten, die das schwarze |595| Herz unablässig auch gegen ihn schleuderte, keinen Widerstand mehr entgegen, sondern
öffnete
sich ihnen sogar, nahm sie in sich auf und sammelte sie. Schnellte sie tentakelgleich gegen die Spitze der heranzuckenden
     Klinge. Und wand sich ihr, bis zum Äußersten konzentriert, mit einer pendelnden Bewegung des Oberkörpers aus dem Weg. Die
     scharf geschliffene Schneide schrammte über den Strick, der ihm die Ellenbogen auf den Rücken zwang.
    Der Strick zerfetzte und fiel von ihm ab. Skip entging den Händen der Priester, warf sich nach vorn, zog und wand sich mit
     den Ellenbogen voran und schleppte die immer noch gefesselten Beine als nutzloses Gewicht verbissen hinter sich her.
    Der Allheilige Vater!
Er vermochte ihn kaum mehr zu sehen in der Dämmernis hinter dem lebenden Toten.
Dem Königsherzog,
berichtigte er sich, atemlos vor Panik. Und vernahm bereits wieder seine schlurfenden Schritte. Er warf einen Blick über die
     Schulter zurück. Der Herzog folgte ihm. Der dunkle Stahl des ersten Schwertes schimmerte in seiner Hand. Nur zwei Schritte
    

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