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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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dahinraffte, sobald sie mit jenem
     silbernen Geflimmer auch nur kurz in Berührung kamen. Tote und Sterbende türmten sich hinter ihm, ein entsetzliches, unablässiges
     Stahlklirren, Raunen, Keuchen, Wimmern hing in der Luft und mischte sich mit allgegenwärtigem Blutgestank. Auch die Menschen
     am Großen Portal bemerkten nun, was hier vor sich ging, und rochen ihn, den Geruch des Verderbens – und schoben sich wie ein
     einziger riesenhafter Körper in den Tempel herein. Und noch immer fielen jene, die den Majat aufzuhalten trachteten, und die
     Luft wurde dick und dicker. Bashi sehnte sich einen säubernden Sturm herbei. Dann begriff er, dass er einen solchen
beobachtete.
    Nun fiel der Blick frei auf das Zentrum des Saales. Evan Dorn stand dort, ein blutiges Schwert in der Linken, über den Körper
     des Walder-Jungen gebeugt. Und auch den Allheiligen Vater vermochte man deutlich zu sehen – mit zurückgeworfener Kapuze, die
     Hände wie irrsinnig dem hohen Dom entgegengereckt. Keiner der hereindrängenden, staunenden, murmelnden Menschen konnte dies
     für eine segnende Geste halten.
    Sie alle erkannten einen Ghaz Alim-Hexer, wenn sie denn einen erblickten.
    Egey Bashi ließ das Schwert fallen und schnellte den
Shektal
zu sich heran. Schwirrend rollten sich die Schnüre |601| auf; keinen Lidschlag darauf war die Waffe sicher in seiner Tasche verstaut, als habe es sie nie gegeben, und er eilte mit
     großen Schritten dem Tempelportal entgegen. Erst dicht vor der verwirrten Menschenmenge, die sich längst auch über den ganzen
     Shal Addim-Platz erstreckte, blieb er stehen.
    »Menschen von Aknabar!«, rief er weithin hörbar aus. »Seine Heiligkeit, der Allheilige Vater Haghos, hat uns alle betrogen!
     Über Jahre und Jahre unterzog er unsere neugeborenen Kinder der
Probe
und ließ sie töten – und hier und heute stellen wir fest, dass er nach seinem eigenen obersten Kirchengesetz als
lebensunwert
eingestuft werden muss! Der Fluch der Ghaz Alim liegt auf ihm – und er scheut sich nicht, sie im Allerheiligsten zu entfesseln!
     Unser Allgebieter Shal Addim selbst hat die Tore seines Tempels zu dieser ungewohnten Stunde aufgestoßen, aufgestoßen, auf
     dass Ihr alle Zeuge werdet und den Verbrecher verdammt! Schaut nur, ihr Menschen der Heiligen Stadt! Schaut!«
    Und er streckte anklagend die Rechte aus und zeigte dorthin, wo Haghos so überrumpelt stand, dass er nicht einmal daran dachte,
     die Hände zu senken. Alle, alle sahen sie die verfluchte Hexerhaltung.
    Entsetzte Stille brach vom Himmel und begrub die Massen unter sich. Keiner rührte sich, keiner wagte zu atmen. Kein Lüftchen
     regte sich mehr. Dann explodierte die Menge. Die Menschen draußen drückten, die zuvorderst Stehenden setzten sich taumelnd
     in Bewegung, bis alles und jeder kein Halten mehr kannte. Bis der Tempel erfüllt war von wimmelnden, zornschreienden Menschen.
     Bis Priester und Heilige Wachen und Ritter überrollt wurden von einer Lawine aus Körpern und Schweiß und heiliger Entrüstung.
    Kaum, dass es Bashi noch gelang, sich an Raishans Seite in Sicherheit zu bringen. »Hört auf, Aghat!«, keuchte er. »Ich denke,
     diese
Heiligen
gepanzerten Kirchenkrieger haben nun |602| anderweitig alle Hände voll zu tun. Wir dürfen den Heiligsten von ihnen allen nicht entkommen lassen!«
    Raishan nickte und senkte die Klingen. Urplötzlich schnellte er sich vor und riss den Magister zu Boden.
    Der Schwertstreich, der Egey Bashi gegolten hatte, spaltete einem zufällig in der Nähe stehenden Priester den Schädel. Raishan
     stand bereits wieder und deckte den Magister mit seinem Körper. Der Heilige Ritter, der soeben an seinesgleichen zum Mörder
     geworden war, senkte den Kopf, sodass die stählernen Stacheln seines Helms allesamt auf Raishan und Bashi zeigten, und setzte
     sich wie ein urwelthaftes Wesen in Bewegung.
    Er erreichte sie nie. Die Leiberflut riss ihn zu Boden und trampelte dutzendfach, hundertfach über ihn hinweg, so sehr er
     sich auch zu wehren suchte; und immer noch mehr Menschen drängten von draußen in den Tempel herein.
     
    Am Hinterausgang des Großen Tempels holten sie die hastende Gestalt in der schwarzen Kapuzenrobe ein. Raishan umrundete sie
     in einer seiner nebelhaften Bewegungen und stellte sich ihr in den Weg.
    Haghos stoppte und wandte langsam den Kopf. »Dies ist eine Ungeheuerlichkeit!«, sagte er gedehnt in Bashis Richtung. »Ihr
     werdet dafür bezahlen, mein Sohn.« Es hörte sich nur noch

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