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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Klinge noch prüfend in Händen wog.
    »Es begab sich, wie wir erst spät erfuhren, dass Euer Sohn
nicht
als Ghaz Alim-Bastard getötet wurde. Wiewohl das Resultat der Probe eindeutig feststand, blieb er gegen alles, was Gesetz
     ist in diesem Land, am Leben und wurde von einem abtrünnigen Priester fortgeschafft. Bruder Bartholomeos zog es vor, seiner
     Pflicht, seinem Glauben und seiner Kirche zu entsagen, er legte den Heiligen Brüdern zu Aknabar ein totgeborenes Kind aus
     der Dornbard-Blutlinie vor. Über viele Jahre konnte der Betrug aufrechterhalten werden. Doch letzten Endes ist Shal Addim
     mit jenen, die reinen Herzens sind, und so erfuhr die Heilige Kirche schließlich die Wahrheit doch. Das Neugeborene wurde
     in die Waldlande gebracht, nach Eichenhain. Dort wuchs es in der Familie des ortsansässigen Schmieds heran. Jene beiden, die
     da vor Euch stehen, sind die einzigen Söhne dieses Schmieds. Sie sind genau gleich alt, obwohl sie nicht wie Zwillinge aussehen.
     Einer von ihnen ist Euer Sohn, Herzog. Wir wissen nur noch nicht, welcher.«
    Abermals fasste Evan die beiden Jünglinge ins Auge. Zunehmend ungläubiger starrten sie des Hochehrwürdigen schwarze Gestalt
     an. Allzu abenteuerlich war seine Geschichte.
    »Und Ihr zieht mit keinem Gedanken in Betracht, man könnte Euch falsch informiert haben? Allheiliger Vater?«, flüsterte Evan
     verächtlich.
    »Man informiert mich
niemals
falsch!«, spie Haghos ihm frostig entgegen.
    »Wahrhaftig!« Dorn wandte sich dem Schattengesicht zu. Gut lag ihm die Klinge in der Hand, so gut. »Ihr glaubt also wirklich,
     dass einer von ihnen überlebt?«
    »Wenn dieser eine Euer Sohn ist, sollte er überleben«, formulierte Haghos es vorsichtiger. »Jedoch, da sein Blut von |589| Anfang an dem verderblichen Einfluss der Ghaz Alim unterworfen war, kann es eine definitive Prognose nicht geben.«
    »Und was gedenkt Ihr mit ihm zu tun, wenn er diese neuerliche Probe übersteht?«, fragte Dorn.
    Seine Heiligkeit schwieg lange. »Belastet Euch nicht mit solch geringfügigen Details, Sturmgebieter«, versetzte er schließlich.
     »Wir werden allesamt, wie wir hier versammelt stehen, über die wundersame Zusammenführung Eurer Familie frohlocken, das ist
     alles.« Der pestilenzartige Unterton entging Evan nicht – er trieb ihm eisigen Schweiß aus allen Poren. Nicht viel fehlte
     daran, und er hätte die Klinge von sich geschleudert – mitten hinein in den Abgrund unter Haghos’ Kapuze. Doch wäre er dann
     waffenlos in dieser Schlangengrube zurückgeblieben.
    So holte er stattdessen tief Luft. Zorn beschleunigte allenfalls seinen und der Jungen Tod.
    Einmal mehr besah er sie sich, wie sie an Händen und Füßen gefesselt auf dem Boden knieten. Wenn es ihm gelang, ihre Fesseln
     zu durchtrennen – konnten sie ihm eine Hilfe sein?
    Er glaubte es nicht. Zu benommen schauten sie drein, zu verwirrt. Davon abgesehen – Kämpfernaturen stellte er sich gänzlich
     anders vor. Vermutlich war ihr Umgang mit Waffen so plump wie jene Häuser, die sie in den tiefen Wäldern errichteten.
    Verlass’ dich nur auf dich selbst,
dachte er, zerrte die lederne Scheide von der Klinge und schleuderte sie beiseite. Der dunkle Stahl schimmerte und glitzerte.
    »Macht’ keine Dummheiten, Herzog!«, warnte Haghos ihn in väterlichem Ton. »Zwei Schwertstöße, und Ihr habt die Sache hinter
     Euch. Wohingegen – falls Ihr Euch für den
anderen
Weg entscheidet, werdet Ihr die Klinge weit öfter führen müssen und diesen Tag trotzdem nicht überleben.«
    »Ich bin ein königlicher Herzog und kein Scharfrichter!«
    |590| Haghos trat vor und streifte sich die Kapuze auf die Schultern zurück.
    Evan starrte ihn an.
    Das Gesicht, das unter der Kapuze zum Vorschein gekommen war – war haarlos, dürr, totenblass. Es kam ihm entfernt vertraut
     vor, als habe er’s in einem Traum gesehen. Nur den Bruchteil eines Lidschlags benötigte er, diese durch und durch gewöhnlichen
     Züge in sich aufzunehmen, jedoch dieser Bruchteil war alles, was er hatte. Schon im nächsten Moment richteten sich Haghos’
     blasse, wässrige Augen auf ihn und saugten ihn   ...
irgendwohin.
Ins Vergessen.
     
    Skip würgte an einem lautlosen Schrei und war sich bewusst, dass es plötzlich ganz still wurde in dem unermesslich großen
     Tempelsaal. Er sah das totenblasse Gesicht des Allheiligen Vaters und nahm das Pulsieren des schwarzen Herzens dennoch wahr;
     eine ungeheuerliche unsichtbare Sturzflut brach daraus hervor

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