Das erste Schwert
Scharnieren.
|598| Er zerrte weiter, bis er meinte, seine sämtlichen Muskeln wie auch die dick angeschwollenen Adern an Hals und Stirn müssten
in einem Blutschwall zerfetzen – und endlich, endlich schwang das Portal mit einem Aufkreischen nach innen. Aus dem Augenwinkel
bekam er mit, was im Zentrum des Saales geschah. Wie Evan Dorn und der Junge einander umschlichen. Für einen Walder stellte
er sich überaus geschickt an als Kämpfer. Und was seine Ghaz Alim betraf – sie war höchst erstaunlich.
Seit langem schon hatte Bashi vermutet, dass auch Seine Heiligkeit die Gabe in sich trug, und seit heute
wusste
er es mit unumstößlicher Sicherheit – wie auch, dass es eine fürchterliche Macht war. Er hatte sie am eigenen Leib erfahren.
Einer solchen mentalen Druckwelle nicht nur zu widerstehen, sondern nun auch noch dermaßen kämpfen zu können, das war, gelinde
gesagt,
unglaublich.
Für einen kurzen Moment gar war’s ihm so vorgekommen, als beziehe der Junge noch Kraft aus dem Angriff. So etwas hatte er
sein Lebtag noch nicht erlebt!
Der Magister beobachtete, wie der Junge Dorns ersten Angriff parierte, ganz so, wie es jedem Anfänger schon früh beigebracht
wurde.
Er hatte gute Lehrmeister,
dachte er. Jedoch, für einen erfahrenen Schwertkämpfer wie Evan Dorn konnte er kein ebenbürtiger Gegner sein.
Er verliert
, dachte er. Ganz plötzlich wusste er es, noch während der Junge dem nächsten Streich auswich. Noch während ihm ein Lächeln
über’s Gesicht huschte. Dann sah Egey Bashi, wie es sich vollzog. Sah jenen niederträchtigen Trick kommen, der ihn auch beinahe
schon das Leben gekostet hätte – damals, am Vorabend des Hohen Konzils auf
Dorn’s Trutz
. Sah, wie blitzartig der Sturmgebieter die Klinge von der Rechten in die Linke wechselte. Sah den tödlichen Stahl tief ins
Fleisch des Jungen fahren. Sah ihn taumeln, in die Knie brechen und nach hinten kippen. Liegen bleiben. Erst jetzt gab Bashi
wie |599| benommen den schweren Torflügel frei, der sich längst von selbst nach innen bewegte und
ihn
vor sich her schob. Zähflüssiges Blut quoll aus der Wunde des Jungen und sammelte sich in einer Pfütze rings um den leblosen
Körper herum.
Der Bewahrer fluchte in sich hinein. Selbst wenn dieser Junge Dorns eigen Fleisch und Blut und somit Erbe war – einen solchen
Schwertstoß, im Kampf und von Haghos’ Dämonenmacht beseelt und ohne genaues Zielen ausgeführt, konnte er unmöglich überleben.
Was nur mochte sich der Hochehrwürdige dabei gedacht haben? Ob er noch wusste, was er tat? Nun mochte vollends alles aus den
Fugen geraten, hier in Tallan Dar. Der Letzte in der Blutlinie der Dorns, jener Junge, um dessentwillen so viele ihr Leben
gelassen und auf den sich die Hoffnungen so vieler gestützt hatten, lag zu seines Vaters Füßen tot in seinem Blut.
Fast hätte Egey Bashi jenen Wächter übersehen, der sich, aus seinem Bann entlassen, an ihn heranschlich. In höchster Not riss
der Magister den
Shektal
unter seiner Robe hervor. Die peitschenähnliche Waffe entringelte sich mit huschendem Fauchen, etwas Langes, Lederschnurgleiches
entriss dem Krieger das Schwert, etwas Blitzendes, Scharfgeschliffenes zerfetzte ihm die Hand. Schockiert umklammerte er die
blutige Masse – und suchte immer noch zu verstehen, was da aus der Dämmernis auf ihn herabgestoßen war.
Bashi stieß ihn beiseite und packte die erbeutete Klinge mit der freien Hand. Mit der anderen schwang er abermals den
Shektal
– surrend flirrte er dem nächsten stahlklirrenden Angreifer um die Knöchel und riss ihn zu Boden.
Nun wandte er sich dem Portal zu. Draußen, im Hellen, stiegen die ersten Einwohner Aknabars die Stufen herauf – verunsichert,
da sich die Tempeltore zu einer solch ungewohnten Stunde öffneten. Doch mehr und mehr folgten ihnen nach, und im Nu sammelte
sich eine große Menschenmenge beim Portal. Angespannte Gesichter drängten |600| sich dicht an dicht und spähten neugierig ins Dämmrige herein.
Raishan, der ihnen allen den Rücken zuwandte, hatte inzwischen nahezu ein Drittel seines Weges auf den Hochehrwürdigen zu
hinter sich gebracht. Kaum, dass er zu sehen war, und wenn, dann allerhöchstens als tödliches Huschen und Wirbeln. Kaum, dass
sich der blitzende Widerschein seiner Klinge auf die stählernen Rüstungen der Heiligen Ritter legte, brachen sie auch schon
links und rechts von ihm zusammen. Es sah aus wie ein Fluch – wie eine Seuche, die alle
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