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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Hexenkessel des Großen Tempels zurück.

Königliches Blut
    Ich müsste tot sein
, dachte Skip.
    Er lag auf dem Rücken und starrte in die hoch über ihm schwebende sternenförmige Kuppeldecke hinauf. Metallischer Blutgeruch
     erfüllte die Luft.
Mein Blut
, dachte er. Nass und schwer lag ihm sein Hemd auf der Haut – blutdurchtränkt. Und immer noch mehr Blut quoll aus der Wunde
     hervor.
    Jedoch – trotzdem lebte er.
    Ein Schwertstoß durch’s Herz.
    Und trotzdem blieb man am Leben? War das tatsächlich
    möglich?
    Er sah den Königsherzog über sich aufragen, sah, wie auf dessen Gesicht ein Ausdruck betroffener Ungläubigkeit erschien. Spürte,
     wie ein Händepaar ein Tuch auf seine Wunde presste.
    »Er lebt«, sagte irgendjemandes Stimme. »Verdammt will ich sein!«
    »Er ist wirklich   –«
    »Skip?«
    |606| Er mühte sich, die Lippen zu bewegen. Es schien möglich zu sein. Er versuchte etwas zu sagen, doch war kein Laut zu hören.
    Abermals spürte er geschickte Hände an sich. Sie zerrten an seinem Hemd, sie legten ihm einen Verband um die Brust.
    »Wir müssen ihn hier herausschaffen«, sagte eine andere Stimme.
    Kara.
    Verzehrend wünschte er sich, er könnte spüren, wie sein Herz schneller und schneller schlug, wie es das stets in ihrer Nähe
     getan hatte – doch klaffte da nur eine große Leere.
    Er hatte kein Herz mehr. Ein ungeheuerlicher Schwertstoß hatte es zerstört.
    Noch mehr Hände rings um ihn her. Er wurde in eine sitzende Stellung aufgerichtet. Zu seiner Überraschung schmerzte dies weit
     weniger, als er gedacht hatte.
    »Helft ihm auf!«, sagte der Herzog. »Er wird gleich wieder bei Sinnen sein. Es sieht schlimmer aus, als es ist.«
    »Kaum mehr als eine Fleischwunde«, gab eine andere Stimme ihm recht.
    Skips Lider flatterten. Seine Sicht klärte sich. Er konzentrierte seinen Blick auf jenen, der zuletzt gesprochen hatte, einen
     Mann von bärenhafter Statur, mit narbigem Gesicht, kurzen Haaren und den dunkelsten und durchdringendsten Augen, die er je
     gesehen hatte. Er trug die Robe eines Priesters, doch eine jähe Eingebung raunte ihm zu, dass dieser Mann kein Priester war.
    »Was meint Ihr damit – es sei nur eine Fleischwunde?«, flatterte Ellahs hektische Stimme herbei. Skip wollte sich umdrehen
     und sie ansehen, wollte ihr versichern, dass alles gut war, doch verwehrte ihm sein Körper den Gehorsam.
    Er sah, wie der bärenhafte Mann einen Blick mit dem Herzog wechselte.
    »Sein Herz schlägt auf der anderen Seite«, sagte er Hüne |607| dann. »Ganz so, wie es sich gehört für einen wahren königlichen Erben des Hauses Dorn.«
    Es folgte ein Moment atemloser Stille. Und immer noch mehr Sinneswahrnehmungen kehrten zurück. Skip wurde sich des gigantischen
     Saales bewusst und dass Menschenmassen ihn bis zum Bersten füllten. Und sich legenden Kampflärms.
Es ist vorbei,
dachte er. Dicht an dicht umringten ihn wildfremde Menschen und starrten, und so still verhielten sie sich allesamt, als halte
     sie immer noch der Allheilige Vater mit seiner Ghaz Alim in Bann. Und die Stille breitete sich aus, bis selbst in den entferntesten
     Ecken des Großen Tempels jedes Füßescharren und überhaupt jedes Geräusch erstorben war, bis man nur mehr fernes Vogelgezwitscher
     und einen gelegentlichen Windhauch zu hören vermochte.
    »Seht den wahren König!«, rief schließlich irgend jemand aus.
    Abermals folgte eine lange Stille. Dann jedoch erhob sich ein ohrenbetäubendes Gebrüll bis in die höchsten Höhen der gewölbten
     Decke und hallte wie Donner auf alle zurück.
    »Heil!«, jubelten die Menschen. »Heil dem König!«
    Starke Arme zogen Skip auf die Füße. Jemand stützte ihn der Länge nach mit seinem Leib – und wärmte ihn.
    Er wollte einstimmen in den Ruf, wollte, so wie alle um ihn her, den unbekannten König willkommen heißen. Seine Stimme versagte
     jedoch. Die Schwäche, die ihn von Neuem durchfuhr, löschte alles andere aus. Stattdessen wandte er mühsam den Kopf, um seinen
     Wohltäter anzusehen.
    Und fand sich einem Paar violetter Augen gegenüber, Augen von unauslotbarer Tiefe und Klarheit. Augen wie kostbare Amethysten.
    »Kara«, wisperte er.
    Sie hatte ihn an seine Feinde verraten. Und doch konnte er sie nicht hassen dafür; nicht einmal Zorn empfand er. Nicht jetzt,
     da sie ihr Leben riskiert hatte, um ihn zu retten. |608| Nicht jetzt, da sie ihm so nahe war und ihn wärmte. Nicht jetzt, da er ihren sinnlichen Duft atmete.
    »Nur die Ruhe, Eure

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