Das erste Schwert
lächerlich an.
Egey Bashi suchte seinen jagenden Atem unter Kontrolle zu bringen. Um alles in der Welt wollte er vermeiden, dass Raishan
ihn jappsend und keuchend erlebte. »Gebt mir die Karte zurück, Haghos«, forderte er. »Sie gehört nicht in Eure Hände.«
Dünne Lippen krümmten sich wie Würmer zu einem Lächeln. »Ihr vergesst Euch, Bewahrer«, schleuderte Haghos ihm über den Tumult
hinweg entgegen. »Ihr seid nicht in der Position, mir Befehle zu erteilen.«
|603| Über Haghos’ totenblassen Schädel hinweg warf er Raishan einen kurzen Blick zu. »Es will mir scheinen, dass ich das im Moment,
dank einer höheren Macht, sehr wohl bin«, widersprach er lächelnd. »Einen Diamanten mögt Ihr dort drinnen zeitweilig kampfunfähig
gemacht haben,
Allheiliger Vater
, und was hat’s Euch genutzt? Euer Spiel ist aus. Ihr könnt niemanden mehr zum Narren halten. Deshalb – lasst uns Eure Robe
durchsuchen. Und denkt nicht mal daran, Eure Ghaz Alim einzusetzen. Bewahrer sind dagegen immun.«
Er trat vor – und spürte kalten, scharf geschliffenen Stahl an seinem Hals; schon zum zweiten Mal an diesem Tag.
»Lasst mich vorbei!«, zischte Haghos.
Bashi schnalzte mit der Zunge. »Eine Waffe, Heiligkeit?«, sagte er spöttisch. »Steht nicht im
Buch der Gebote
geschrieben –« Mit einer tänzerischen Drehung wand er sich beiseite und Haghos’ Stoß erfolgte viel zu spät. »Wir könnten dies immer noch
von Mann zu Mann regeln«, schlug er vor.
»Seid Ihr also plötzlich Mensch und gar noch Mann geworden, Allheiliger Vater?«, feixte Raishan. »Trotzdem steht Ihr hier
dem Magister
und
mir gegenüber. Und was mich anbetrifft – ich würd’ mir einen guten Kampf nur ungern entgehen lassen.«
Egey Bashi nutzte die Gelegenheit, glitt an Haghos heran und hielt schon im nächsten Moment ein zerknülltes Lederstück in
Händen.
Haghos’ Gesicht zuckte, als wollten tausend winzige Dämonen seine Haut durchbrechen. »So mögt Ihr also vorübergehend im Vorteil
sein, Magister«, gestand er ein. »Aber ich habe die Karte gesehen, ich weiß längst alles, was ich wissen muss. Haltet Euch
bereit, in Eurer Weißen Zitadelle Besuch zu empfangen.«
»Immer angenommen, es gelingt Euch tatsächlich, uns zu |604| finden, Heiligkeit –« Bashi hielt alle Unsicherheit aus seiner Stimme heraus. »Seid versichert, dass wir mit Eurer Priesterschar umzugehen wissen.«
Haghos stand nur und starrte ihn an. Ein merkwürdiges, kaltes Glühen erfüllte seine Augen. »Ihr habt wirklich keine Ahnung,
womit Ihr Euch eingelassen habt, Magister, habe ich recht?«, flüsterte er. »Glaubt Ihr, ich oder die Priesterschaft der Heiligen
Kirche seien Euer größtes Problem – glaubt Ihr das
wirklich?«
Forschend erwiderte er Haghos’ Blick. Nein, er wusste in der Tat nicht, wovon dieser ...
Mensch
sprach. Er erkannte nur mit wachsender Sorge, dass Seiner Heiligkeit Gesicht weit davon entfernt war, den Ausdruck eines Besiegten
zu zeigen. Im Gegenteil.
Triumph strahlte aus jeder Pore.
»Blind seid Ihr und Eure Bewahrer«, flüsterte Haghos, »und gar nichts wisst Ihr von jenen Mächten, die längst schon im Verborgenen
harren. – Und nun, verzeiht. Es wird Zeit für mich, dieser Mob ist gewiss kein Vergnügen.«
Abermals eine Handbewegung, schnell wie ein Diamant. Egey Bashi prallte zurück. Dennoch landete eine Handvoll Sand mit Wucht
in seinen Augen. Blendete ihn. Durch Tränenschleier bekam er mit, dass es Raishan nicht besser erging. Nur, dass jener taumelte
und den Kopf schüttelte, als habe man ihm ins Gesicht geschlagen. Fluchend, gegen das helle Tageslicht außerhalb des rückwärtigen
Tempelportals anblinzelnd, die Augen reibend, alles zugleich, richtete Egey Bashi sich auf.
Haghos war nirgends mehr zu sehen.
»Wo, zur Hölle, ist er abgeblieben?«, brüllte der Magister.
»Verdammt, das kann ich Euch nicht beantworten.« Raishans Stimme war ein zorniges Grollen, doch kaum weniger schlimm als sein
Eingeständnis war für Bashi, dass er den Diamant-Majat verwirrt erlebte.
Beide eilten sie ins Freie und spähten fieberhaft umher. |605| »Und glaubt mir, Magister«, fuhr der Majat erst jetzt fort, »dies ist das erste Mal, dass mir so etwas passiert.«
Beide fluchten sie. Dann war es Bashi, der den Kopf schüttelte.
»Wir müssen uns um den noch lebenden Walder-Jungen kümmern«, sagte er. »Ihr habt nach wie vor einen Auftrag zu erfüllen, Aghat.«
So kehrten sie in den
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