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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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alles war ihm wie eine Erlösung nach dem kalten
     Steinstaub des Klosters. Dann brauste das Aschegestöber auch hier draußen über alles hinweg und riss ihn hoch empor und ins
     Vergessen davon.
     
    In Meisterin Ybas Gaststube saßen sie vor dem Kaminfeuer beieinander. Eine ungewöhnliche Gesellschaft war es, die hier aus
     großen Krügen ihr Ale trank: Ein königlicher Herzog, ein Bewahrer von hohem Stand, zwei Diamant-Majat sowie drei junge Walder
     in Kleidern, wie sie normalerweise von den Bürgern Jaimirs getragen wurden. Noch immer strahlte hämmernder Schmerz von Skips
     Wunde aus, doch der fachmännische Verband, den Raishan ihm angelegt hatte, trug das seine dazu bei, es erträglich zu machen.
     Es gelang ihm sogar, mit jenem Mann zurechtzukommen, der erst |611| jetzt an ihren Tisch trat – kahlköpfig, mit einer hässlichen Zickzack-Narbe im Gesicht und einem fiebrigen Glitzern in den
     in tiefe Höhlen eingesunkenen grauen Augen. Noch immer vermochte er in Bruder Bartholomeos nicht den Retter zu sehen, sondern
     nur den Dämon seiner lebenslangen Alpdrücke. Doch immerhin wusste er nun, was es damit auf sich hatte.
    Bartholomeos zog sich einen Stuhl herbei und ließ sich auf einen Wink des Herzogs hin zu dessen Rechten nieder. »Als ich dich
     in der Kammer sah, Junge«, flüsterte er zu Skip herüber, »erkannte ich dich sogleich. Du magst ein winziges Neugeborenes gewesen
     sein, als ich dich das letzte Mal sah – aber Augen wie die deinen vergisst man nicht.«
    »Was ist denn so besonders an seinen Augen?«, wollte Ellah wissen.
    Sie trug wieder ein Kleid   – Meisterin Yba hatte es in einem ihrer unzähligen Hinterzimmer gefunden. Die kurzen Haare standen ihr gut. So schien ihr
     Hals länger und schmaler, und auch die haselnussgrünen, ovalen Augen kamen besser zur Geltung. Zum ersten Mal durchzuckte
     Skip der Gedanke, dass sie eine begehrenswerte junge Frau war und eines Tages gewiss jemanden traf, der dies genauso sah.
     Dann bemerkte er Erles liebevollen Blick, und wie er, der er neben ihr saß, kurz über ihr Haar strich – und schmunzelte in
     sich hinein.
    Bruder Bartholomeos schnalzte mit der Zunge. »Mädchen«, sagte er, »nichts auf der ganzen weiten Welt lässt sich vergleichen
     mit den blauen Augen eines wahren Reinblütigen, die beseelt sind von der Weisheit der Ghaz Alim.«
    »Weisheit?«, entfuhr es Ellah mit einem entgeisterten Kieksen.
    »Ghaz Alim?« wiederholte Erle.
    Doch Bruder Bartholomeos schenkte ihnen nur ein Lächeln als Antwort.
    Shal Addim allein wusste, was dieser Mann hatte ertragen |612| müssen in jenen siebzehn Jahren, die er in der runden Kammer ohne Fenster und Türen eingesperrt gewesen war. Skip wagte kaum
     daran zu denken; es sprengte alle Vorstellungskraft. So war er einfach nur froh, dass der Mann nun hier in ihrer Runde zu
     sitzen vermochte und sich tatsächlich zu erholen schien.
    Doch wie eh und je – so leicht war Ellah nicht zufriedenzustellen. »Was ist mit seinen Haaren?«, hakte sie trotzig nach. »Wie
     kann unser Skip mit solch einer Haarfarbe ein Reinblütiger sein?«
    Bartholomeos schnitt eine Grimasse und fasste ihn taxierend ins Auge. Jedoch Egey Bashi war es, der an seiner Stelle antwortete:
     »Die Bewahrer erforschen seit langem, wie sich die Ghaz Alim auf das Äußere auswirkt«, sagte er. »So fanden wir heraus, dass
     insbesondere bei stark ausgeprägter Ghaz Alim das Erscheinungsbild des Trägers nur schwerlich vorhersehbar ist. Mit anderen
     Worten: Alles ist möglich. Skips Haarfarbe ist ein perfektes Beispiel dafür. Wir müssen dankbar sein, dass er, davon abgesehen,
     seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich sieht.«
    Skip wandte den Kopf und sah Herzog Evan Dorn lange an.
    Seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten.
    Sah er wirklich
so gut
aus?
    »Ich bin gar nicht der Meinung, dass ich Euch ähnlich sehe«, widersprach er. »Eure Erhabenheit.«
    Er konnte es nicht über sich bringen, diesen Mann
Vater
zu nennen. Tief inwendig vermochte er’s noch nicht einmal zu glauben. Dasselbe Gefühlsdurcheinander sah er in des Herzogs
     Augen.
Eines Tages, vielleicht
, dachte er. Nachdem sie Gelegenheit hatten, einander besser kennenzulernen. Doch hier und heute –
    »Und?«, wandte Egey Bashi sich nun an ihn. »Ist dir die Natur deiner Ghaz Alim bereits bekannt?«
    |613| Er schüttelte behutsam den Kopf und es war ihm, als rückten Schatten von ihm ab. »Ich weiß nur, dass ich imstande bin, seltsame
     Dinge zu

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