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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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rasch handeln. Es wird ein Konklave einberufen
     und ein neuer Allheiliger Vater an die Spitze der Heiligen Kirche gewählt werden. Ich gehe davon aus, dass Bruder Boydos Haghos
     nachfolgt – doch in diesen Tagen ist alles möglich. Bruder Boydos mag sein, was und wie er ist, doch dürfte er noch am ehesten
     mit einem König aus dem Hause Dorn einverstanden sein.«
    Der Herzog legte dem neben ihm Sitzenden vertraulich |618| die Hand auf den dürren Arm. »Es tut gut, Euch wieder an der Seite zu haben, Bruder Bartholomeos – auch wenn wir beide alt
     geworden sind in diesen langen Jahren. Aber bevor ich allzu rührselig daherrede, sagt mir: Was wird denn nun aus dem Hochgebieter
     Edmond vom Heiligen Stern?«
    Abermals wechselten Bartholomeos und Egey Bashi einen Blick. Für jemanden, der eine solche Ewigkeit lang gefangengesetzt war,
     schien der alte Priester über alles reichlich gut informiert zu sein. Doch sah Skip keinen Anlass, über den Quell seiner Informationen
     nachzusinnen.
    »Edmond ist ein wahres Kunstwerk«, sagte Bartholomeos, »des Allehrwürdigen Haghos’ ureigenste kostbarste Schöpfung. Ein körperlich
     perfektes Ebenbild eines königlichen Herzogs – und doch unbeseelt und ohne jeden Verstand.«
    »Was meint Ihr damit – ohne jeden Verstand?«
    »Er verfügt weder über ein eigenes Bewusstsein noch über ein Gewissen. Er kann nicht eigenständig denken noch urteilen«, erläuterte
     Bartholomeos. »Fragt mich nicht, wie das möglich ist, doch wäre er die perfekte Marionette gewesen. Nur ein Problem gab es
     mit ihm: Haghos und die Priester waren sich nicht sicher, ob er die Prozedur mit dem Schwert zu überstehen vermag. So planten
     sie, Eure Erhabenheit Erskip testen zu lassen und sodann ihn als Ersatzerben in Amt und Würde zu bringen. Und selbst, wenn
     Euer wahrer Erbe sich nach der Königsprobe unter Ausschluss des Volkes erhoben hätte, wär’ es ihnen noch ein Leichtes gewesen,
     ihn beiseitezuschaffen und an seiner statt Edmond zu präsentieren.«
    »Wie könnt Ihr all diese Details wissen?«, rief Evan Dorn aus. »Ihr wart seit siebzehn Jahren ein Gefangener! Und doch seid
     Ihr so erstaunlich gut über alles in Kenntnis gesetzt!«
    Bartholomeos sah ihm geradeheraus mit Unschuldsmiene in die Augen. »Weil unser Allgebieter Shal Addim manche Gebete erhört,
     Eure Erhabenheit«, sagte er, »weil er manche wahrhaftig erhört und erwidert.«
    |619| Dorn lächelte. »Nie wollt’ ich einen anderen Hauspriester als Euch, alter Mann – und jetzt weiß ich wieder, warum! Nur wär’s
     wirklich gnädiger von Euch gewesen, wenn Ihr mir beizeiten die Wahrheit über meinen Sohn gesagt hättet.«
    Der Priester und der Herzog sahen einander an, und in ihrer beider Gesichter zeigte sich nichts als herzliche Zuneigung.
    »Es tut mir leid«, sagte Bartholomeos. »Ich wünschte wirklich, das sei mir möglich gewesen.«
    Abermals prosteten sie sich allesamt zu und tranken und genossen ihr gemeinsames Schweigen. Im großen, offenen Kamin brachen
     Holzscheite knackend in sich zusammen und die Flammen loderten umso höher empor, Funken wirbelten rot und orange und gelb,
     und die behagliche Wärme in der Gaststube besänftigte gewiss nicht Skips wunden Körper allein.
    Vielleicht war es diese heimelige Stimmung, die Skips Lippen nach langer Zeit wieder zum Eigenleben anstachelte. Wie auch
     immer – schneller jedenfalls, als er zu überlegen vermochte, plapperten sie schon los: »Warum haben die Leute im Tempel eigentlich
›Heil dem König‹
gerufen? Was meinten sie damit?«
    »Hast du denn gar nicht zugehört, Junge?«, brummte Egey Bashi mit gutmütiger Verzweiflung in der Stimme. »Was in jenem Tempelsaal
     stattfand, wird
Königsprobe
geheißen. Der König treibt die Klinge des ersten Schwertes durch’s Herz seines Sohnes und stellt so vor Shal Addim und aller
     Augen den Wert seines königlichen Hauses unter Beweis.«
    »Aber Herzog Evan Dorn ist nicht König«, begehrten die vorlauten Lippen auf. »Und außerdem tat er’s nicht aus eigenem, freiem
     Willen. Er wurde dazu gezwungen   –«
    Nun bedachte ihn Egey Bashi doch noch mit strengem Blick. »Des Hochgebieters Evan Dorns Recht zu herrschen ist seit heute
     eindeutig gesichert«, grollte er nachdrücklich. |620| »Sein Haus ist das erste in der königlichen Erbfolge. Und er hat einen leiblichen Erben   –«
    »–   wiewohl mit der Ghaz Alim   –«, warf Bartholomeos ein.
    »Das ist nicht von Bedeutung!«, beharrte Egey

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