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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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durchlief plötzlich eine Wellenbewegung den Saal, die Reihen der Höflinge teilten sich und das grün-goldene Flussmöwen-Banner
     des Hauses Ellitand näherte sich ihnen. Schon von Weitem fiel Skip eine junge Frau auf, die annähernd in seinem Alter sein
     mochte; geschmeidig und schön war sie und wie aus Porzellan gemacht. Ihre großen, smaragdgrünen Augen musterten ihn mit frösteln
     machender Intelligenz – sein dunkles Haar, die Narbe dort, wo bei einem gewöhnlichen Sterblichen ein Herz geschlagen hätte,
     die Gefolgschaft gleich zweier Majat.
    »Hochgebieter Daemur!«, rief Evan Dorn aus und trat mit ausgestreckten Armen vor, als sei dieser Neuankömmling sein lange
     verlorener Bruder. »Solch eine Freude! Erlaubt mir, Euch meinen Sohn vorzustellen – Erskip.«
    Der Herzog von Ellitand schien mitten in der Bewegung plötzlich langsamer geworden, gerade so, als sei er gezwungen, sirupdicke
     Luft zu durchwaten, und Skip befürchtete schon, der Mann müsse nun gleich die Besinnung verlieren. Doch nichts dergleichen
     geschah. Schon lächelte er mit nur wimpernschlagkurzer Verspätung. Jedoch umfasste dieses Lächeln nur die Lippen. Die Augen
     blickten kühl.
    »Euer Sohn, Hochgebieter Evan?«, fragte er. »Aber wie wir dies verstanden, gab es dereinst doch jenes verhängnisvolle Ereignis   –« Seine Stimme versagte ihm den Dienst, da sie ihrerseits wohl vom Verstand schmählich im Stich gelassen wurde – der Seengebieter
     hatte sich in eine missliche Situation gebracht und wusste dies;
nicht
wusste er hingegen ganz offensichtlich, wie er sich nun diplomatisch genug daraus wieder befreien sollte. Evan Dorn schien’s
     überhaupt nicht eilig zu haben, ihm zu Hilfe zu eilen, sondern wartete lange, lange, als wolle er Skip Zeit geben, seinerseits
     zu denken:
Vorlaute Lippen. Wie ich.
    Erst jetzt ergriff der Herzog doch noch das Wort: »Umso besser könnt Ihr Euch meine Freude vorstellen, Hochgebieter |626| Daemur«, sagte er, »als ich erfuhr, dass mein längst verloren geglaubtes Fleisch und Blut am Leben und wohlauf ist. Und, wie
     sich herausstellte, gar imstande, in Würde zu herrschen.« Mit feierlichem Ernst sah er zu Skips linker Brustseite hin.
    Wie einen Schlag empfand Skip die Wucht dieses Blickes, und es hätte ihn kaum gewundert, wäre ein Abdruck auf seiner bloßen
     Haut sichtbar geworden. Die Narbe begann zu pochen, und er musste sich zwingen, den jähen Schmerz nicht ächzend zu verbeißen.
    Er musste dies alles durchstehen, musste es. Nach allem, was einem jeden von ihnen auferlegt gewesen war, um hierher, um
so weit
zu kommen, durfte er nicht scheitern. Er hätte es nicht ertragen, Evans Vorfreude auf den Triumph dahinschwinden zu sehen.
    Er spürte Evans warnenden Blick und war bereit für das, was nun geschah – geschehen musste.
    »Erskip«, sprach Evan ihn an. »Erlaube, dass ich dir Herzog Daemurs reizende Tochter vorstelle – Hochdame Celana.«
    Skip wandte sich der blassen, rothaarigen Schönheit an Ellitands Seite zu und lächelte.
    »Ich bin entzückt, meine Dame«, sagte er und tatsächlich vermochte er seine Stimme genau so klingen zu lassen, als habe er
     sein ganzes Leben mit nichts anderem verbracht, als Damen von königlichem Blut vorgestellt zu werden. Einer Eingebung folgend,
     ergriff er ihre Hand, beugte sich darüber und hauchte einen Kuss darauf. Glatt und kalt war diese Hand.
Marmor,
dachte er und schauderte. Doch sein Gesicht strahlte. Strahlte vor Freude.
    Ein weiteres Banner, dieses Mal das rotsilberne mit dem angriffsbereit aufgerichteten Gebirgsbären des Aeghor-Clans, wurde
     herbeigetragen, und abermals teilte sich die Menge. Skip blickte erstaunt ob ihrer ungewöhnlichen Farbgebung drein, zeigte
     ihnen jedoch augenblicklich seine Freude und |627| beugte sich der Reihe nach über die Hände der Hochdamen Maxcella und Maxalia und schenkte auch Macdell Aeghors Sohn Mactor
     einen respektabel willkommen heißenden Blick. Er begann sich mit seiner Rolle anzufreunden.
    »Hochgebieter Erskip«, wandte Daemur Ellitand sich nun an ihn, kaum, dass die Begrüßungsprozedur beendet war. »Würdet Ihr
     uns erzählen   –«
    Ein Fanfarenstoß am anderen Ende des Saales zerhieb ihm die Parade. Alle Gespräche verstummten. Zwei Prozessionen schoben
     sich in den Raum, und unverkennbar war die runde Konzilstafel ihr Ziel. Die erste Prozession bestand zur Gänze aus schwarzen
     Kapuzengestalten und wurde von einem Priester angeführt, den Skip mit unguten

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