Das erste Schwert
ihn davon abhalten sollten, Kinder zu zeugen. Er brauche sich morgen auch nicht der Probe zu unterziehen
– schließlich sei er schon einundzwanzig. Aber Weißdorn will unbedingt. Und Frau Vassa ist ohnehin der Meinung, dass Galina
ihn nicht heiraten sollte.«
»Das hab ich ihr oft genug eingeschärft!«, brauste Frau Vassa von Neuem auf. »Jeden hätte sie haben können, jeden! Aber nein,
sie hat nur Augen für diesen – diesen armseligen Weißdorn –«
»Er ist keineswegs armselig«, widersprach Skip.
|97| Jäh verstummte Galinas Schluchzen. Eine schreckliche Stille füllte plötzlich den Raum.
Skip atmete ruhig und tief. Zu seiner eigenen Überraschung verspürte er nicht das geringste Fünkchen Angst. »Nur weil er und
Galina nicht heiraten können, macht ihn das noch lange nicht zu einem Tunichtgut«, sagte er sehr beherrscht. »Ihr tut Galina
doch weh, wenn Ihr so etwas sagt.«
Frau Vassa stemmte sich von ihrem Stuhl hoch – und im gleichen Maße schien Baba Yagnas Wohnstube zu schrumpfen. Frau Vassas
Gesicht war knallrot angelaufen.
»Du – du elender, verwöhnter Balg!«, spie sie ihm entgegen. »Dein Vater hätte gut daran getan, dir Manieren einzubläuen, aber
nein – er hat dich nach Strich und Faden verzogen! Wie kannst du es wagen, mir erklären zu wollen, wie ich meine Tochter erziehen
soll?«
Skip sah sie nur an. Auch ihm schoss das Blut ins Gesicht. »Mein Vater«, sagte er in die angsteinflößende Stille hinein, »ist
der beste Vater der Welt, und Ihr, Frau Vassa, könnt nur davon träumen, dass man so etwas jemals von Euch als Mutter sagt.
Wagt es bloß nicht, etwas über meinen Vater zu sagen!« Er hielt dem Blick der riesenhaften Frau stand, bis sie sich schließlich
auf den Stuhl zurückplumpsen ließ. Dann rannte er aus dem Haus.
Erle folgte ihm auf dem Fuß. Sie banden die graue Stute los und schlenderten die Straße zum Gasthof hinab.
»Weißt du«, brummte Erle nach einem sehr langen Schweigen. »Ich wollte ihr die ganze Zeit auch die Meinung sagen, aber ich
konnt’s einfach nicht. Wie hast du das bloß geschafft?«
»Keine Ahnung«, gestand Skip wahrheitsgemäß. Jetzt, da seine Verärgerung in der frischen Nachtluft verrauchte, konnte er’s
selbst kaum glauben.
Er
hatte Frau Vassa zurechtgestutzt?
Allerdings – der Gedanke gefiel ihm; er war ziemlich zufrieden |98| mit sich. Die letzten zehn Schritte zum Gasthof legten sie schweigend zurück – und hielten erstaunt an.
In dem normalerweise verlassen liegenden Innenhof herrschte rege Betriebsamkeit. Poplar und Ivan, die beiden Stallburschen,
rannten hierhin und dorthin und trieben mindestens vierundzwanzig Pferde und Reitechsen vor sich her. Die würden sie wohl
kaum in dem viel zu kleinen Stall unterbringen.
Noch nie zuvor war Skip den Echsen-Ungeheuern so nahe gekommen; er fand es aufregend, ihre graue Schuppenhaut berühren zu
können, wenn er es denn gewollt hätte. Und diese schräg stehenden gelben Augen –
unheimlich.
Dann nahm er ihren Geruch wahr und rümpfte die Nase. Er war viel zu intensiv, um noch als angenehm empfunden zu werden. Jene
Echse, die unmittelbar vor ihm nervös tänzelte, war besonders groß, eine weiße, sichelförmige Narbe schien den unteren Rand
des rechten Auges geradezu nachzuzeichnen. Rot glitzerte dieses Auge im spärlichen Fackelschein.
»Was ist denn hier los?«, fragte Erle.
»Die Missionare«, sagte eine Stimme aus den Schatten hinter ihm. »Und die Wachen. Ziemlich unangenehmer Haufen.«
Mit einem Lachen auf dem Gesicht fuhr Skip herum. »Garnald?«, rief er und starrte den Schattenumriss im Dunkeln an.
Jeder hier in der Gegend kannte Garnald, doch niemand wusste, wer er wirklich war. Viele fürchteten ihn. Aber Skip war von
ihm fasziniert. Vielleicht, weil er im Außenposten lebte. Er war der einzige Mensch, von dem Skip wusste, dass er sich nahezu
täglich in den Dunklen Pfuhl hineinwagte. Und der sich seit jenem Tag, an dem Skip ihn zum ersten Mal gesehen hatte, im Wesentlichen
nicht verändert hatte. Fest stand: Der Außenposten war der einzige Ort, an welchem Menschen wie Garnald anzutreffen waren ...
befremdlich
aussehende |99| Menschen. Er hatte dunkelbraune Haut und die schräg gestellten Augen eines Grasland-Nomaden. In seiner Haarmähne mischten
sich blonde und dunkle Strähnen. Skip kannte niemanden wie ihn.
Es kursierten Gerüchte, dass er ein der Probe entgangener Bastard eines Cha’ori-Kriegers und einer
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