Das erste Schwert
mir sicher, dass die Bewahrer ihr zahlen, was immer sie fordert. Und selbst wenn sie euch bloß dabei
hilft, die Waldlande unentdeckt hinter euch zu lassen und der Probe zu entgehen, wäre das schon ein Gewinn. Seid ihr sicher,
dass man ihr trauen kann?«
»Ja.«
»Nein.«
Skip und Ellah sahen einander an. Beide öffneten sie den Mund, um weiterzusprechen, doch Erle war schneller. »Warum holen
wir sie nicht einfach hierher und reden mit ihr?«, schlug er vor. »Dann können wir alle gemeinsam entscheiden, ob sie vertrauenswürdig
ist.«
Baba Yagna erhob sich. »Eine gute Idee«, lobte sie. »Ihr Kinder bleibt hier. Ich werde zum Gasthof gehen und mich mit ihr
unterhalten. Dann entscheide ich, ob sie vertrauenswürdig genug ist, um in meiner Wohnstube zu sitzen.«
Im selben Moment wurde an die Tür geklopft.
Sie erstarrten zu Eis.
Das Klopfen wiederholte sich – sacht, aber beharrlich. Es |122| machte deutlich, dass der Besucher keinesfalls einfach wieder gehen würde.
Baba Yagna bedeutete ihnen lautlos, sich zu verstecken, zog ihr Umhängetuch fester um die Schultern und ging zur Tür. »Wer
ist da?«, fragte sie.
»Mein Name ist Kara«, antwortete eine Stimme von draußen. »Ich komme wegen Skip und Erle. Ich schulde ihnen Geld, da sie mein
Pferd beschlagen haben.«
Kara.
Skips Herzschlag setzte aus.
Sie hat uns gefunden!
Er verließ das Versteck hinter dem tarnenden Vorhang, drängelte sich an Baba Yagna vorbei und zerrte den Schnappriegel beiseite.
Erle war dicht hinter ihm.
Sie will uns bezahlen. Also doch – sie ist vertrauenswürdig!
Der graue Umhang machte Kara im Halbdunkel der Nacht beinahe unsichtbar.
»Komm’ herein!« Baba Yagna zog das Mädchen über die Schwelle und schloss die Tür. »Du ziehst die Aufmerksamkeit des ganzen
Dorfes auf uns, so laut, wie du ihre Namen brüllst! Weißt du denn nicht –« Sie unterbrach sich.
»Was denn?« Kara blickte die alte Frau neugierig an.
»Wir gehen fort von hier«, berichtete Skip ihr sogleich. Er machte sich nicht die Mühe, die Erleichterung in seiner Stimme
zu unterdrücken. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie verzweifelt er gehofft hatte, sie wiederzusehen.
»Ich verstehe«, murmelte sie. Ihr Blick zuckte zu dem Schwert hin, das schon bei Skips Reisegepäck lag. »Nun, da ihr Jungs
offenbar entschieden habt, ohne mich zu reisen, will ich meine Schulden bezahlen und gleichfalls aufbrechen. Gute Arbeit,
übrigens!« Einmal mehr errötete Skip unter ihrem Blick – und Erle straffte die Schultern. Kara griff in die Tasche. »Das ist
der Preis, den ein Schmied in Jaimir dafür berechnen würde«, sagte sie und zählte Erle fünf Kupfermünzen hin.
»Vater verlangt immer nur zwei«, hörte Skip sich sagen.
|123| Kara schmunzelte. »Behaltet alle fünf«, sagte sie, »Ihr werdet das Geld brauchen; insbesondere, wenn ihr allein reist.« Sie
wandte sich zur Tür.
»Genaugenommen ...«, begann Erle.
»... wollen wir, dass du mit uns kommst!«, beendete Skip den Satz eilends, aus Angst, sie könnte in die Nacht hinausschlüpfen,
bevor er ihn ausgesprochen hatte.
Kara drehte sich langsam wieder um. In ihren Augen schimmerte eine dunkelpurpurne Glut. »Ach? Und wann wolltet ihr mich einweihen?«
»Die Dinge sind uns ein wenig ... aus der Hand geglitten«, brummte Erle. »Es ist nicht alles ganz so verlaufen, wie wir das geplant haben.«
»Nicht zum ersten Mal, da bin ich mir sicher«, murmelte Kara.
Erles Augenbrauen ruckten nach oben. »Hast du deine Meinung geändert?«, fuhr er sie an.
Sie zuckte die Schultern. »Ich bin zuverlässige Reisegefährten gewohnt. Falls ihr also die Angewohnheit habt, stets der Eingebung
des Augenblicks zu folgen –«
»Ich habs dir doch
gesagt
!« Erles Stimme wurde eindringlich. »Es gab einige –«
»Wir wollen wirklich, dass du mit uns kommst!«, mischte Skip sich ein. »Und? Bist du einverstanden?«
Kara wandte sich ihm zu und schwieg noch immer. Betrachtete eingehend sein Gesicht. Und sagte schließlich: »Ja.«
Skip spürte eine Woge der Erleichterung durch den Raum gehen.
»Unter einer Bedingung.« Die dunkelpurpurne Glut in Karas Augen brodelte und spie winzige Feuerzungen empor. »Wenn wir in
Schwierigkeiten geraten – und mit euch Jungs und den Schwierigkeiten scheint es sich genauso zu verhalten wie mit dem Honig
und den Bienen –, dann tut ihr, was |124| ich sage. Wenn ich euch sage, ihr sollt durch den Schlamm kriechen – dann
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