Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
Vom Netzwerk:
schon heut’ Nacht, während du geschlafen |191| hast, da hineingekrochen sein«, meinte Kara lakonisch. »Nichts, worüber es sich aufzuregen lohnt – sie sind nicht giftiger
     als Bienen. Und sie beißen nur, wenn sie sich angegriffen fühlen.«
    Das hörte sich kein bisschen beruhigend an. Gebannt beobachtete Erle die Kreatur, wie sie davonkrabbelte.
    »Plötzlich war da dieses Kitzeln, direkt auf der Haut«, sagte Ellah. »Und ich hab nachgesehen, und da war diese Spinne unter
     dem Kleid.« Sie schüttelte sich.
    »Ich hätte auch geschrien«, gab Erle zu. »Mochte Spinnen noch nie.«
    Sie wandten sich Kara zu, die bereits zu packen begann. »Wir müssen aufbrechen«, bestimmte sie. »Essen können wir auch unterwegs,
     verstaut also nicht alle Lebensmittel in den Rucksäcken. Wir müssen bei Kräften bleiben, wenn wir hier herauskommen wollen.«
    »Aber wohin sollen wir denn gehen?«, flüsterte Ellah. »Es gibt doch gar keinen Weg mehr.«
    »Aber auch keinen Sumpf.« Kara schulterte den Sattel und ging zu ihrer Stute hinüber. »Nicht weit von hier liegt eine Lichtung«,
     sagte sie. »An ihrem Rand habe ich ein paar interessante Spuren gesehen – als sei dort jemand durch’s Gestrüpp geschleift
     worden. Vielleicht war das Skip.«
    »Durchs Gestrüpp geschleift?«, hauchten Erle und Ellah zugleich. »Skip?«
    »Jedenfalls irgend etwas Schweres«, bestätigte sie ungerührt. »Und jetzt hört auf, so zu jammern. Ich habe nicht gesagt, dass
     er tot war. Los, kommt – macht euch nützlich.«
    Rasch packten sie ihr Hab und Gut zusammen, Kara verstaute die Last sorgfältig auf dem Rücken ihrer grauen Stute, dann brachen
     sie auf und drangen in den verfilzten Wald ein. Hatte Erle geglaubt, die gestrige Wanderschaft durch den Pfuhl sei eine Strapaze
     gewesen, so sah er sich schon bald eines Besseren belehrt. Sich ohne Weg durch diese |192| grüne Hölle zu kämpfen,
das
war eine Strapaze, nein, mehr noch – ein unablässiger Überlebenskampf. Heimtückische Wurzeln ließen sie stolpern, aus dem
     Zwielicht schnellten schlangengleiche Äste heran, verfingen sich in ihren Kleidern. Hohes, struppiges Gras zerrte an ihren
     Füßen, und schon im nächsten Moment wieder taten sich schlammige Wassertümpel vor ihnen im Waldboden auf, die sie umgehen
     mussten.
    Nur Kara, die vorausging, bewegte sich so gelassen und geschickt wie immer. Kein einziges Mal war sie auch nur gestrauchelt!
Das geht nicht mit rechten Dingen zu!,
dachte Erle bestimmt zum hundertsten Mal – und war, nachdem er beinahe der Länge nach in einem Schlammloch gelandet wäre,
     endgültig davon überzeugt, dass sie mit dem Pfuhl und der Waldfrau höchstpersönlich im Bunde stehen musste.
    »Du solltest besser aufpassen, wohin du gehst«, riet Kara ihm, als sie seinen Blick auffing. Er entgegnete nichts darauf,
     sondern mühte sich nur, den tief eingesunkenen Fuß aus dem Morast freizuzerren. »Beide wolltet ihr kämpfen lernen, und das
     ist eure erste Lektion. Ein Kämpfer weiß auf Schritt und Tritt, wohin er den Fuß setzt.«
    Danke! Was für eine große Hilfe!,
dachte Erle abfällig und stieß eine Verwünschung aus, als sein Fuß schon beim nächsten Schritt erneut tief in eine Schlammkuhle
     sank, die – darauf hätte er jeden Schwur geleistet! – noch vor einem Wimpernzucken nicht dagewesen war. Sein anderer, freier,
     Fuß verstrickte sich derweil in hohem Unkraut. Bizarr gegrätscht hielt er an, bückte sich und versuchte sich zu befreien.
     Die langen Wedel waren stachelig und zäh und zerkratzten ihm die Hände. Trotzdem riss und zerrte er weiter, bis er keuchend
     und schweißnass doch
irgendwie
freikam. Ein einsamer Wedel blieb in sein Hosenbein verkrallt. Erle ließ ihn, wo er war. Seine Hoffnung, dem Pfuhl jemals
     wieder zu entkommen, sank mit jedem Schritt.
    |193| »Also, wo ist jetzt deine Lichtung?«, fragte er schnaufend, den Blick konzentriert auf den Boden gerichtet.
    Kara gab keine Antwort. Unterdrückt fluchend hob er den Blick und verharrte stocksteif.
    Sie befanden sich am Rand einer Lichtung, die wie aus dem Nichts geradewegs vor ihnen entstanden sein musste. Sie war klein;
     flauschiges,
normal
aussehendes Gras wuchs am Boden. Jedenfalls dort, wo man ihn zu sehen vermochte. Denn fünf riesengroße Gestalten beanspruchten
     fast den gesamten Platz für sich.
    Zuerst hielt Erle sie für gigantische, moosbewachsene Felsen. Dann bewegte sich einer dieser Felsen, und er kam sich wie in
     einer unwirklichen

Weitere Kostenlose Bücher