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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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bitter und starrte seine Gegner mit kalter Gleichgültigkeit an. Er war allein. Niemand, so hatte es den Anschein,
     gedachte einzustehen für den Herrscher ohne Erben, den Letzten seines Geschlechts.
    »Glaubt nur nicht, dass ihr damit durchkommt!«, schleuderte er den gesichtslosen Gestalten düster entgegen. »Ihr frevelt,
     und die Menschen dieses Landes werden das nicht nur still zur Kenntnis nehmen.«
    |184| Könnte er’s nur selber glauben! Viel zu gut wusste er, dass es mehr erforderte als den Mord an einem der drei Königlichen
     Herzöge, um die Menschen von Tallan Dar zum Handeln zu treiben. Erst recht, da Seine Heiligkeit kein Dummkopf war. Gewiss
     hielt er längst eine glaubhafte Erklärung für dieses Attentat bereit.
    Der Anführer der Ritter trat so langsam und schwerfällig vor, als bereite es ihm Schwierigkeiten, sich in der herrschenden
     Zeitlosigkeit zu bewegen. Evan war bereit, er umfasste den Schwertgriff so fest, dass die Knöchel hervortraten. So gewappnet,
     beobachtete er, wie der Stählerne langsam näherkam.
    Evan biss die Zähne zusammen. Er wusste – genau jetzt müsste er ihn attackieren. Er hatte keine Chance.
    Doch die Hände des Ritters hoben sich zum Kopf, umfassten den gestachelten Helm und nahmen ihn ab. Dann beugte er klirrend
     das rechte Knie und ließ sich vor dem Herzog darauf nieder.
    Mit ohrenbetäubendem Gerassel tat es ihm sein Gefolge gleich.
    Langsam nur entspannte sich Evan und hoffte, sein anfängliches Entsetzen möge nicht zu offensichtlich gewesen sein. Es war
     nicht schicklich für einen Herzog, Angst zu zeigen in Gegenwart der Verteidiger der Krone. Mehr noch – schon die Gefahr mit
     sichtbarer Regung zur Kenntnis zu nehmen, konnte man ihm als Zeichen von Schwäche auslegen. Er riss sich zusammen und sah
     die Eindringlinge forschend an.
    Noch niemals hatte er einen Ritter des Heiligen Sterns seinen Helm abnehmen sehen. Schon von Kindheit an war er neugierig
     darauf gewesen, was sich wohl unter diesen monströsen Helmen verbarg. Nun, da er dem vor ihm knienden Ritter ins Gesicht sah,
     fühlte er sich gleichermaßen schockiert und bestätigt.
    |185| Die Haare des Mannes waren dunkel und so kurz geschnitten, dass die blanke Haut durchschimmerte. Die wässrigen Augen blickten
     nicht einmal
beseelt
. Hätte Evan nicht gerade gesehen, dass sich der Ritter bewegt hatte, er wäre davon überzeugt gewesen, einem Toten gegenüberzustehen.
    Dieses Fehlen jedweden Ausdrucks erinnerte ihn an den Hochgebieter Edmond vom Heiligen Stern, jenen Thronerben, der unlängst
     dem Hohen Konzil präsentiert worden war.
    »Eure Erhabenheit«, sagte der Ritter mit einer Stimme, die nicht weniger farblos war als das Gesicht, »Seine Heiligkeit entsandte
     uns als Ehrenwache hierher, um Eure Sicherheit zu gewährleisten. Unser Allheiliger Vater bittet Euch demutsvoll, in der Kronstadt
     zu verweilen. Er ist in äußerster Sorge um das Wohlergehen der königlichen Häuser.«
    »Ich nehme die Sorge Seiner Hocherwürdigkeit dankbar zur Kenntnis«, hörte Evan sich sagen. Wie von selbst kamen ihm die Worte
     über die Lippen – diktiert vom jahrelang aufgebürdeten Terror der Heiligen Kirche. Dieselbe Gedankenlosigkeit hatte ihn einst
     dazu getrieben, seinen Sohn den ganz in schwarze Roben gekleideten Männern zu übergeben – ohne auch nur den geringsten Widerstand
     zu leisten.
    Er holte tief Luft. Er war nicht mehr derselbe Mann. Das, was in jener
anderen
Zeit, vor so vielen Jahren, geschehen war, als er nur hilflos – und tatenlos – hatte dastehen und starren können, würde sich
     niemals wiederholen.
    Wäre Seine Heiligkeit nur nicht so gut darin gewesen, seine Taten vorauszuahnen! – War nicht alles längst zu spät? Blieb ihm
     denn jetzt überhaupt noch ein Handlungsspielraum?
    »Jedoch«, fuhr er nach viel zu langem Innehalten fort, »bedauere ich, sagen zu müssen, dass es eine wahrlich dringende Angelegenheit
     ist, die meine Anwesenheit auf Hochdorn vonnöten macht. So sehr ich also die Besorgnis Seiner Heiligkeit wertschätze, fürchte
     ich doch, um einer raschen Wiederkehr willen das Risiko eingehen zu müssen.«
    |186| Die stählernen Ritter verharrten, reglos kniend, und die unwirkliche Situation dauerte an. Mehr und mehr sah Evan sie als
     übergroße Schachfiguren, die, auf dem Brett positioniert, den gegnerischen Zug erwarteten.
Angriffsbereit.
    »Und doch, Eure Erhabenheit«, sagte der Wortführer übertrieben gestelzt, »es wird nicht möglich sein. Zu

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