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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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damit du die nächste Wache übernimmst. Sieht so aus, als hätte er
     das nicht getan.«
    »Nein, hat er nicht.« Erle ließ sie einfach stehen, ging vor Skips Schlafplatz in die Hocke und untersuchte ihn. Alles deutete
     darauf hin, dass sein Bruder überstürzt aufgebrochen war. Die Decke und Skips Reisemantel lagen achtlos beiseite geschleudert,
     eine dicke Tauschicht hatte sich in den Falten gesammelt. »Als sei er darunter hervorgerissen worden«, flüsterte Erle, starr
     vor Grauen. Wäre Skip aus freien Stücken gegangen, so hätte er zumindest den Reisemantel mitgenommen. Was bedeutete, dass
     etwas sehr Großes hier gewesen sein musste und ihn mitgenommen hatte.
Lautlos.
Ohne irgendjemanden zu wecken.
    |189| »Wir müssen ihn suchen! Jetzt gleich!«, stieß Erle hervor.
    Kara strich sich die Haare aus der Stirn. »Erst gilt es ein anderes Problem zu lösen«, sagte sie.
    »Was meinst du damit?« Erle richtete sich auf und verzog vor Schmerz das Gesicht. So musste es sich anfühlen, wenn einem die
     Schulter bei lebendigem Leibe zerfleischt wurde. Die Bewegung auf der anderen Seite der Feuerstelle ahnte er mehr, als dass
     er sie sah. – Natürlich, sie hatten Ellah geweckt! Sie zog sich die Decke vom Gesicht und sah stumm zu ihnen herauf.
    »Es gibt keinen Weg mehr«, sagte Kara.
    Erle starrte sie nur an.
Also doch, sie muss eine Hexe sein!,
fuhr es ihm durch den Sinn. Trotz aller Bewunderung für ihre Kampfkünste – sie hatte etwas an sich, das seinen Argwohn hervorrief.
     Als wisse sie etwas und sagte es ihnen nicht. Davon abgesehen war es
tatsächlich
in erster Linie ihr zu verdanken, dass sie hier feststeckten. Sie hatte sie in den Pfuhl geführt. Es mochte nicht ihre Absicht
     gewesen sein, sie umzubringen, trotzdem; irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Und wie sie auf Skips Verschwinden reagierte   …
    Kara deutete sein Schweigen falsch. »Warum schaust du nicht selber nach?«, schlug sie vor, und als er das spöttische Licht
     in ihren violetten Augen bemerkte, da hasste er sie plötzlich. Mit einem Knurren wandte er sich ab und sah in die Richtung,
     aus der sie gestern gekommen waren. Er erinnerte sich daran, dass sie, am Ende des Pfades angelangt, beschlossen hatten, an
     Ort und Stelle zu lagern. Also mussten sie genaugenommen auf dem Weg selbst geschlafen haben.
    Jetzt sah er in weitem Umkreis nur Moos, Gras und Farnkraut und die ineinander verwachsenen Stämme der Schlangenholz-Bäume.
     Es gab keinen erkennbaren Weg mehr in diesem wilden Wald.
Und der Morast?
dachte er fassungslos.
Und der Schlamm? Wo lauern sie? Was ist das für Teufelswerk?
    |190| Erle stand einen Moment wie vor den Kopf geschlagen und dachte nach. Alles war genau wie in jenen Geschichten, die Baba Yagna
     ihnen erzählt hatte. Klar, noch hatten sie keinen Felsling getroffen, und auch die Waldfrau war ihnen erspart geblieben, aber
     mittlerweile glaubte er fest, dass auch diesen Geschichten etwas Wahres zugrundelag. Jedoch – wie fanden die Sumpfwandler
     dann ihren Weg? Verfügten sie über eine Art Magie, die den Pfuhl zu zähmen verstand?
    Nein, das ging nach seinem Empfinden zu weit. Gleich, wie befremdlich die Bäume und Wege dieses Ortes sich auch benehmen mochten,
     die Welt basierte auf soliden Naturgesetzen. Eines davon lautete: Es gibt keine magisch begabten Menschen. Die Kirche gab
     sorgsam darauf acht, die Welt vor solch gottlosen Dingen zu schützen.
    Ellahs Aufschrei riss ihn aus seinem Grübeln. Er ruckte herum, doch wie üblich war Kara schneller. Als er gerade den ersten
     hastigen Schritt tat, kniete sie bereits bei Ellah nieder und sah auf deren Hände hinab. Sie hielt in Bauchhöhe etwas umklammert;
     etwas
unter
dem Kleid. Und sie schien sich das Kleid vom Leibe reißen zu wollen. Von ihren Augen war nur noch das Weiße zu sehen.
    »Was? Was ist denn?«, zischte Erle erschrocken, wütend, voller Sorge – alles zugleich. Und wagte sich, da es Sünde gewesen
     wäre, die Blöße des Mädchens zu sehen, nicht näher heran. »Ellah! Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Sie ist nicht verletzt«, antwortete Kara an ihrer Stelle. Ihre Hand verschwand im Ausschnitt von Ellahs Kleid   – Erle widerstand dem Zwang, den Blick abzuwenden – und kam mit einer großen, haarigen Spinne wieder zum Vorschein. Erle rang
     nach Luft. Das
Ding
war fast so groß wie Karas Handfläche. Noch nie hatte er eine so große Spinne gesehen.
    Mit einem Quieken krabbelte Ellah weg und kam taumelig auf die Füße.
    »Sie muss

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