Das erste Schwert
in diesem seltsamen, kellerartigen Raum kopfüber an
den Füßen aufgehängt worden. Was er für eine glatte Decke über sich gehalten hatte, war in Wirklichkeit der Boden |201| , und das an vier Pfosten daran befestigte
Ding
war ein ganz gewöhnlicher hölzerner Tisch.
Nun ergab auch der Schmerz in seinem Kopf einen Sinn – mehr sogar, als ihm lieb war. Plötzlich erinnerte er sich wieder daran,
dass ihn etwas gepackt und aus dem Lager und in die Dunkelheit gerissen hatte. Irgendwann hatte er sich den Kopf angeschlagen.
Und danach gab es nichts mehr, nichts als urgewaltige Dunkelheit. Er musste ohnmächtig geworden sein. Ihn kopfüber aufzuhängen,
war aber nicht die geeignete Methode, um ihn von diesen hämmernden Schmerzen zu erlösen. Ganz im Gegenteil.
Indessen hatte die Frau ihn umrundet und blieb nun vor ihm stehen. Aufgrund der – wie er erst jetzt feststellte – gewölbten
Decke befanden sich seine Augen in Höhe ihres Bauches, und er hatte große Mühe, seine Besucherin aus diesem ungewöhnlichen
Blickwinkel einzuschätzen. Soweit er das sagen konnte, war ihr Körper von perfekter Schönheit, groß und schmal, und sie hatte
eine sehr helle Haut, unter der sich gut ausgeprägte Muskeln abzeichneten. Das lange, dichte Haar war hellbraun mit einem
leichten Goldschimmer. Ihre Brüste verwehrten es ihm, von hier unten ihr Gesicht zu sehen, und so blieb ihm auch die Farbe
ihrer Augen verborgen.
Blau,
dachte er.
Bestimmt sind sie blau.
Vielleicht, weil sie dann genau wie eine der Hochdamen aus Baba Yagnas Geschichten aussehen würde. Nur ihre Kleider unterschieden
sich sehr von allem, was am Königshof als Mode gelten mochte.
Sie trug ein langes, lose fallendes Kleid aus zartesten Pflanzenfasern. Kaum stofflicher als eine Wolke kam es ihm vor, doch
verhüllte es sie gut genug; sobald sie sich allerdings bewegte, konnte er darunter gelegentlich die Umrisse ihres nackten
Körpers erkennen. Es hätte Skip die Röte ins Gesicht getrieben – wäre sie dort nicht längst gewesen. Hochrot mussten seine
Wangen glühen. Es war wirklich abscheulich |202| , wie ein erlegter Hase vor ihr von der Decke zu baumeln.
»Gib’s mir«, sagte sie zu jemandem, der sich außerhalb seines Blickfeldes befand. »Ich will’s mir genauer ansehen.« Sie streckte
die Hand aus, um etwas entgegenzunehmen – abermals langsam, fast träge. Gleich darauf sah Skip, was es war.
Das Schwert. Sein Schwert.
Es war blankgezogen, und der dunkle Stahl schimmerte in jenem schwachen Glanz, den er schon einmal gesehen hatte. Auf eine
ganz merkwürdige Art und Weise tat es ihm gut, die Waffe in der Nähe zu wissen – auch wenn es für ihn keine Möglichkeit gab,
ihrer habhaft zu werden.
»Und du sagst, auf dem Schoß hatte er’s liegen, als du ihn ergriffen hast?«, fragte sie ihren unsichtbaren Gefährten.
Hinter sich hörte Skip nichts als ein Knarren und Rascheln, wie von einem dicht beblätterten Ast – aber die Frau nickte, als
habe sie tatsächlich eine Antwort erhalten. Mit geschickten Fingern knotete sie die Verschnürung des um den Griff gewickelten
Leders auf und ließ es zu Boden fallen. Skip murrte protestierend und versuchte sich zu bewegen, doch die Kopfschmerzen bereiteten
dem Gezappel ein schnelles Ende.
»Nie hätte ich gedacht, dieses Schwert noch einmal zu sehen«, flüsterte die Frau, ganz in Gedanken versunken. »Wenn dieser
Junge es trägt, dann mag er wohl auch dazu berechtigt sein. Gib’ ihn also frei.«
Ohne Vorwarnung löste sich
etwas
von seinen Füßen, die er bisher so unverrückbar mit der Decke verwachsen geglaubt hatte. Kaum, dass ihm noch Zeit blieb, die
Arme schützend hochzureißen, schon landete er kopfüber auf dem harten Erdreich des Bodens. Er rollte sich auf die Seite und
lag ein paar Atemzüge lang einfach nur da und spürte seinem Blut nach, wie es mit neuer Kraft zu strömen begann und schon
bald die hämmernden Kopfschmerzen linderte.
|203| »Du hast ihm doch keinen Schaden zugefügt?«, erkundigte sich die Frau in einem haarsträubend unbekümmerten Tonfall.
Abermals erhielt sie nur ein Knarren und Rascheln zur Antwort. Jetzt hielt es Skip nicht mehr; neugierig rappelte er sich
in eine sitzende Haltung auf und ruckte herum.
Die Frau war allein. Sie stand einem gewaltigen Stützpfeiler in der Mitte des Raums zugewandt. Skip starrte die spärliche
Einrichtung an: Baumstümpfe dienten als Stühle und waren um den roh gezimmerten Tisch herum
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