Das erste Schwert
gruppiert, in der einen Ecke stand
ein breites Bett, in der anderen ein derb gezimmerter Schrank, und über die kahlen Wände zogen sich ein paar schlichte Regale.
Bei genauerem Hinsehen erkannte er allerdings, dass der Stützpfeiler überhaupt kein Stützpfeiler, sondern ein Schlangenholzbaum
war. Der Stamm bestand aus einer Masse ledriger, gebündelter und ineinander verdrehter Stränge, seine Äste breiteten sich
in Unmengen wie ein grünes Dachgespinst unter der Decke aus.
Und sie bewegten sich. Sie waren für das Knarren und Rascheln verantwortlich, das der Frau geantwortet hatte.
Nacktes Grauen sprudelte in Skip hoch.
Sie redet mit diesem Baum!
Es war wie in Baba Yagnas wildesten Schauergeschichten – ein Schlangenholzbaum, ein
lebender
Schlangenholzbaum, hatte ihn in seine Gewalt gebracht, inmitten wimmelnder Äste durch den Pfuhl hierher getragen und kopfüber
dieser Frau präsentiert, bis ihm befohlen worden war, loszulassen. Auch war der Baum geschickt genug gewesen, das Schwert
an sich zu nehmen und gar aus der Scheide zu ziehen. Und er war intelligent genug, mit einem menschlichen Wesen eine Unterhaltung
zu führen.
Immer vorausgesetzt, diese Frau
war
ein menschliches Wesen.
|204| Skip begriff und spürte, dass sich ihm der Magen umdrehte vor Angst. In Baba Yagnas Geschichten hatte es stets nur eine Person
gegeben, die wie ein Mensch aussah und doch mit Bäumen sprechen konnte. Groß und wunderschön sei sie anzusehen, darüber hinaus
jedoch hatte Ba sie nie genauer beschrieben; also konnte es jetzt nur eine Erklärung geben –
Zittrig, wie unter Schmerzen, richtete Skip sich auf; der ganze Raum schwankte und tanzte um ihn, die Füße wollten ihm den
Dienst verwehren, und in seinen Ohren rauschte und raschelte es, als wüchsen dort lebende Blätter. Er starrte die Frau an
wie ein Wunder. »Seid Ihr die Waldfrau?«, fragte er.
Zum ersten Mal sah sie ihm geradewegs in die Augen; ihr in weite Fernen gerichteter Blick erhellte sich. Sie war in Gedanken,
vielleicht gar fremden Welten verloren gewesen, doch nun hatte sie bemerkt, dass sie nicht mehr allein in diesem Raum stand.
Dunkelblau waren ihre Augen. Ein tiefes Indigoblau. Augen, so blau, wie nicht einmal jene des sterbenden Edelmannes gewesen
waren – auch, wenn dies kaum möglich schien. Doch wirkten sie gleichzeitig auch dunkel – wie das tiefe Blau des späten Abendhimmels.
»Ayalla nennt man mich«, sagte sie wie träumend und wandte sich wieder dem Schwert zu.
»Warum habt Ihr mich hierherbringen lassen?«, wagte Skip nach einem kurzen Innehalten zu fragen.
Ayalla
. Hatte die Waldfrau in Baba Yagnas Geschichten nicht stets Leschanka geheißen?
Sie blieb eine Weile still, als müssten die Worte erst in ihren Traumzustand hinüberträufeln, dann hob sie ihr Gesicht zu
dem Schlangenholzbaum empor. »Danke, Dabar«, sagte sie. »Das hast du gut gemacht. Nun kannst du gehen.«
|205| Fragen
Ein Schauder durchlief den Baum, von den Spitzen der schlangengleichen Äste bis hinab zu den Wurzeln. Zuerst drehte er sich,
bis er ein noch zerzausteres Durcheinander aus Stamm, Ästen, Zweigen und Blättern war, dann schwang er herum und riss sich
aus dem Erdreich frei. Seine Wurzeln wogten über den Boden und sandten nun ihrerseits wellenförmige Bewegungen bis in die
Krone. So schleppte sich die struppige Gestalt zur Tür und verschwand, raschelnd wie ein Nest voller Schlangen.
Es war ein grotesker und faszinierender Anblick, und Skip stand und starrte mit offenem Mund. Dann aber fuhr er herum; gerade
noch rechtzeitig, um einen Ausdruck tiefer Zuneigung auf Ayallas Gesicht wahrzunehmen, bevor es wieder so leer und traumentrückt
wie zuvor wurde. Als sie schließlich sprach, klang es, als wähne sie sich allein. »Ein Seltsamer ist er, dieser Junge«, murmelte
sie vor sich hin. »Mit blankgezogener, uralter Klinge stellte er sich einem Riesen zum Kampf. Und so urgewaltig sind seine
Nachtmahre, dass sie meinen Kindern den Schlaf rauben. Und doch ist er unwissend. Ob er wohl derjenige ist, den ich gebrauchen
kann?«
Sie würdigte Skip keines Blickes, während sie dies sagte. Und er reagierte mit Schweigen darauf, bis ihm aufging, dass sie
ihm eine Frage gestellt hatte und eine Antwort von ihm haben wollte. Doch was wusste sie von seinem Schwert? Wie hatte sie
von dem Kampf mit dem Gorg’tal erfahren? Und überhaupt – wie konnte sie von den Alpträumen wissen? Skip öffnete den Mund,
doch nichts
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