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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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millionenfach verschlungene Äste bildeten ihn, und Wände und Decke waren so perfekt geflochten, dass es beinahe den Anschein
     hatte, als seien sie von Menschenhand geschaffen. Wie Skip durch die verblassende Abendhelligkeit ging, glaubte er sich von
     glühenden Augen beobachtet; Augen, die sich verstohlen in den Schlangenholz-Wänden auftaten und wieder schlossen, sobald man
     sich umsah. Er |216| fragte sich, ob auch diese Bäume imstande seien, umherzugehen und sich mit Ayalla zu unterhalten.
    Der Anblick, der sich ihnen am Ende des Tunnels bot, ließ selbst die so beherrschte Kara ein kleines Keuchen ausstoßen. Ein
     runder Platz lag vor ihnen, der umfasst wurde von einer ebenmäßig-glatten, ledrigen Wand aus ineinander verwobenem Schlangenholz.
     Domartig wölbten sich gewaltige Äste empor und ließen allein im Mittelpunkt der Lichtung einen Blick auf den Nachthimmel zu.
     Erst jetzt kam Skip zu Bewusstsein, dass er diesen Himmel schon seit zwei Tagen nicht mehr gesehen hatte. Die Sterne und die
     strahlend helle Sichel des Neumonds kamen ihm so schön vor, als erblicke er sie zum ersten Mal.
    Jedoch weder das Licht der Sterne noch des Mondes beleuchteten diesen magischen Ort. Glühwürmchenschwärme wogten über die
     Lichtung, Millionen winziger Insekten. Sie waren es, die – kaum hörbar summend – über dem weichen Gras wirbelten.
    Im Mittelpunkt des Platzes stand ein gedeckter Tisch – eine gewaltige, schimmernde Steinplatte, die auf wuchtigen, ebenfalls
     steinernen, Beinen ruhte. Wie ganz
normale
Steine sahen sie aus – bis einer von ihnen sich regte und einen handähnlichen Auswuchs fester um eine Kante der Steinplatte
     schloss.
    »Felslinge«, wisperte Ellah zu Skip herüber. »Erle, Kara und ich, wir sind ihnen heute schon einmal begegnet. Aber Garnald
     sagt, dass sie nicht   –«
    Ayalla blieb stehen und wandte sich um; ihr Blick sagte: »Still!«, und Ellah presste die Lippen zusammen.
    »Seht Ayallas Speisesaal!«, sagte die Mutter des Waldes in träumerischem Singsang. »Setzt euch und esst und trinkt mit mir!«
     Und dabei deutete sie auf niedere, steinerne Sitzgelegenheiten, die allesamt dicht beieinander um das andere Ende der Tafel
     gruppiert standen.
    |217| Als Skip zu seinem Platz ging, ertappte er sich bei dem Gedanken, ob wohl auch diese Stühle lebendig waren, wie so vieles
     an diesem wunderlichen Ort. Glatt und kühl fühlten sie sich unter seiner Berührung an, ganz wie richtiges Gestein.
    Und etwas, das ganz wie frisch umgegrabenes Erdreich aussah, war auf den vor ihm stehenden Teller gehäuft und locker mit grünlich-weißen
     Pilzscheiben bestreut worden. Das Ganze roch annährend wie
geschmolzene
Erde. Nicht ganz und gar unangenehm, o nein, aber dennoch weit entfernt von allem, was seine Nase unter normalen Umständen
     als genießbar eingestuft hätte.
    »Esst!«, drängte Ayalla sie. »Esst, trinkt und seid fröhlich. Jedem von euch steht eine Reise bevor. Eine lange Reise, die
     euch weit voneinander entfernen wird. Aber nicht heute Nacht.«
    Mit geschickten Fingern führte sie einen ersten Erdreich-Happen zu den Lippen. Gebannt beobachtete Skip, wie sie ihn in den
     Mund schob; kaute; sodann einen Schluck von der bernsteinartigen Flüssigkeit in den Bechern trank und mit einem Ausdruck von
     Wonne die Augen schloss.
    Ohne jedes Zögern tat es Garnald ihr gleich. Auch er griff tüchtig zu und sah dabei wie jemand aus, dem ein seltener Festschmaus
     zuteil wurde. Fassungslos pendelte Skips Blick von Garnalds Gesicht zu dem rasch schwindenden braunen
Etwas
auf seinem Teller und wieder zurück. Bis er plötzlich auf Erle und Ellah aufmerksam wurde, die es sich ebenfalls munden ließen
     und ganz zufrieden schienen.
Trotzdem
, dachte Skip und versuchte, das krampfende Zucken seines Magens zu ignorieren.
Ich kann das nicht essen.
Schlimmer noch: Es würde ihm wohl nicht einmal gelingen, sich soweit zu überwinden, diese merkwürdige Pfuhl-Mahlzeit auch
     nur zu kosten.
    Beinahe erleichtert stellte er fest, dass Kara neben ihm mit |218| denselben Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Er versuchte einen Blick von ihr zu erhaschen, doch die brütende Stille, mit der
     sie sich umgab, war viel sagend genug.
    »Iss, du merkwürdiger Bursche!«, rief Ayalla ihm über den Tisch hinweg zu. »Die Mutter des Waldes meint es gut mit dir!«
    Da er nicht unhöflich erscheinen und erst recht nicht Ayallas Aufmerksamkeit weiterhin auf sich lenken wollte, fügte er sich   ... und nahm

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