Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
Vom Netzwerk:
er
     in den Besitz dieses Schwertes?«
    Gedankenverloren strich sie über den so unaufdringlich veredelten Griff und wandte ihre Aufmerksamkeit dann abermals Erle
     zu. »Trink dies«, forderte sie ihn auf und gab ihm nun jenen Becher, aus dem bislang sie getrunken hatte. »Kraft wird es dir
     verleihen. Du wirst sie brauchen. Später.« Und ihr Blick machte ihn schwindelig und stark zugleich.
    Er stellte den Birkenbecher achtlos beiseite und nahm ihren Becher und trank ihn auf einen Zug leer. Was immer darin gewesen
     sein mochte, es erfrischte ihn besser als jeder noch so lange Schlaf. In seinem Zustand der Verzauberung hielt er es für das
     Beste, was er je getrunken hatte.
    »Dies ist der Eine, den ich von Anfang an wollte«, verkündete Ayalla und ließ ihn nicht mehr aus den Augen. »Ihm ist es gegeben,
     eins zu werden mit der Mutter des Waldes und ihren Kindern.« Sie legte die Hand auf Erles linke Schulter, und aller Schmerz
     linderte sich und verschwand. Erst jetzt wandte sie sich seinen Gefährten zu.
    »Lange ist es her, Dunkler«, begrüßte sie Garnald und nickte ihm zu; eine Geste, die er ein wenig steif erwiderte. Erle blinzelte
     und wusste mit einem Mal, dass mehr war zwischen diesen beiden, als das bloße Auge wahrzunehmen vermochte. Pfuhlgänger zu
     sein, erforderte möglicherweise einen Umgang mit der Waldfrau, der an Vertraulichkeit alles überstieg |214| , was sich die Menschen der Wirrholz- und Hainsiedlungen vorstellen konnten.
    »Wie ist’s dir ergangen, Ayalla?«, fragte Garnald scheinbar ungezwungen und trat einen Schritt vor.
    »Gestört wurden meine Kinder«, sagte sie. »Die Priester sind in mein Reich eingedrungen. Und Eisenmänner führten sie als Gefolge
     bei sich.«
    »Die Ritter des Heiligen Sterns«, bestätigte Garnald. »Wo sind sie jetzt? Sie sind eine Bedrohung für meine Freunde hier.«
    Doch Ayalla schüttelte nur den Kopf. »Meine Kinder wurden aufgeschreckt«, flüsterte sie. »Sehr.«
    Sie ließ ihren Blick weiterstreifen, zu Ellah, schließlich zu Kara hin. Und auf ihr verweilte er. »Eine Frau aus dem Süden«,
     stellte sie fest, und ihr Blick war plötzlich ein stechendes Forschen. »Vom heißen Wüstenwind hierher getrieben. Seit langer,
     langer Zeit schon habe ich keine Menschen deines Volkes mehr hier gesehen, Olivianerin.«
    Kara senkte den Blick nicht, und obgleich Erle, was sie betraf, ständig zwischen Respekt und Abneigung hin- und hergerissen
     war – in diesem Moment musste er ihre Stärke ganz einfach bewundern. Hier die junge, dunkelhäutige Krieger-Frau, dort die
     alterslose, geheimnisvolle, wunderschöne Ayalla, die Mutter des Waldes – fast schienen die beiden Frauen an Stärke ebenbürtig
     zu sein, wie sie sich ohne zu blinzeln maßen.
    Kara war es schließlich, die das Schweigen brach. »Wie Ihr sicher wisst, Ayalla, bin ich keine Edelfrau. Und trotz meines
     Äußeren bin ich im Norden geboren.«
    Ayalla schüttelte bedächtig den Kopf. »Wenig wissen wir über die Ereignisse unserer Geburt«, sagte sie vieldeutig. »Und noch
     viel weniger über unsere wahre Herkunft.« Und damit blickte sie der Reihe nach Erle, Garnald, Kara, Ellah und schließlich
     Skip an. Als sie daraufhin abermals das Wort |215| ergriff, klang ihre Stimme sanft und melodiös, fast, als würde sie singen. »Kommt und feiert mit Ayalla«, sagte sie. »Eure
     Reise hierher war kurz, aber beschwerlich, und meine Kinder haben sie euch nicht leichter gemacht. Ihr werdet heute Nacht
     hier ruhen. Kommt.« Sie erhob sich und schob sich an Erle vorbei, und ihr Gewand aus feinsten Pflanzenfasern, das zugleich
     aufreizend und keusch war, umspielte ihren Körper wie eine zweite Haut. Er sah ihre Nacktheit darunter, er roch und spürte
     sie – und errötete bis in die Haarwurzeln.
    Ayalla folgte seinem Blick und lächelte nur. »Später, mein Junge«, raunte sie leise. »Später.«
    Erle verstand nicht, doch etwas in ihren Augen ließ ihn noch stärker erröten.

Die Nacht bei Ayalla
    Der Abend dämmerte, als Ayalla sie ins Freie führte. Sie folgten ihr schweigend. Skip, dem der Anblick der Spinnen bislang
     erspart geblieben war, hatte sich unbehaglich gefühlt angesichts des im Dunkeln kaum sichtbaren wogenden Überzugs auf Stollenwänden
     und Decke, doch anders als Erle, der verkrampft direkt vor ihm ging, litt er keine Höllenqualen.
    Geschwind überquerte Ayalla nun die Lichtung vor ihrer Höhle und tauchte schon bald in einen ganz anderen Tunnel ein; nichts
     als

Weitere Kostenlose Bücher