Das erste Schwert
trieben boshaft verspielt kaum mehr erkennbare schwarze Stofffetzen vor sich her – die sich hier und dort wie hungrige
geflügelte Wesen an den Leichenteilen festsetzten.
Köpfe, wo sind ihre Köpfe?
, durchfuhr es Skip entsetzt, und irgendwann erblickte er zumindest
einen
Schädel, halb im grasigen Erdreich verborgen, unter dem gewaltigen Fuß eines Felslings. Der Großteil der Gesichtshaut war
noch vorhanden, blass und fleckig und wie eine heiße Kartoffelschale aufgeplatzt, nur die Augen fehlten; in leeren Höhlen
wimmelten Insekten und gaukelten ein grausiges Leben darin vor. Die Überreste dessen, was einmal ein stachelbewehrter stählerner
Helm gewesen sein musste, umrahmten das hautbespannte knöcherne Trümmerfeld – und vermutlich hielten sie es auch zusammen.
Skip rang den Brechreiz nieder und wusste doch, dass er mit kaltem Schweiß überströmt zitternd stand und starrte. Und nun
begann er auch jene anderen Überreste zu sehen, in seinem Verstand fügte sich alles zusammen, und aus einer Vielzahl von Details
wurde ein einziges großes Schreckensbild. Fleischbrocken lagen umher, schuppige Echsenhaut oder Pferdefell schimmerte noch
daran. Gleich daneben – Teile eines Pferdeleibes. Lange Mähnen- und Schweifhaare, vom Wind aufgeplustert. Die Tiere mussten
um ein Vielfaches verwundbarer gewesen sein, da sie keinerlei Rüstung getragen hatten. Wie Papier waren sie in Stücke gerissen
und
zersetzt
worden.
Skip schwankte und spürte, wie Ellahs Hände ihn packten und ihm den dringend benötigten Halt gewährten. Er straffte sich und
bemerkte, dass sie noch viel ärger zitterte als er; bevor sie in sich zusammensacken konnte, ergriff und stützte er sie –
und so hielten sie sich gegenseitig aufrecht. Dann bemerkten sie den Gestank. Nicht einfach nur einen Pesthauch verfaulten
Fleisches, denn diesem Fleisch war nicht |239| viel Zeit geblieben zum Verrotten; noch vor zwei Tagen hatten sie die Priester mit ihren Rittern lebend gesehen. Nein, über
diesem Ort hing genau jener Geruch verdorbenen Fleisches, verdorbenen Blutes, wie man ihn frühmorgens rings um ein Schlachthaus
antraf. Nur, dass
dieser
Fleischgeruch hier einen süßlichen Unterton hatte – und das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Skip stürzte zum Straßenrand hin und übergab sich ins feuchte Gras des Pfuhls. Halb besinnungslos nahm er wahr, dass Erle
sich neben ihm krümmte; gleich darauf gesellte sich auch Ellah zu ihnen.
Wie durch wattigen Nebel hörte Skip den Pfuhlgänger mit eisiger, geschockter Stimme auf Ayalla einreden.
»Was ist hier passiert, Ayalla?«
Die Mutter des Waldes starrte durch ihn hindurch. Plötzlich war sie wieder jene
andere
Ayalla. Auch ihre Stimme klang verändert, fast wie die einer Traumwandlerin – oder
Geisteskranken.
»Die Wächter ...«, murmelte sie entrückt, »sie kennen die Priester. Gefangen nahmen sie mich. Vor langer Zeit. Meine Kinder mögen die Priester
nicht. Auch meinen Kindern versuchten die Priester weh zu tun. Die Wächter, sie beschützen die Mutter des Waldes und ihre
Kinder.«
Skip wartete, bis sein Magen restlos entleert war, dann fuhr er herum und starrte sie an. Er fühlte sich schwach, sein Atem
kam schluchzend.
Garnald und Ayalla hielten sich noch immer am Rande der Schlachtstätte auf, umwogt vom Fleischgestank. Er wollte nicht dorthin
sehen, er wollte nicht einmal daran denken, was er gesehen hatte. Stattdessen blickte er zu Kara hin. Sie hielt sich abseits,
Shadow stupste sie an und legte ihr den Kopf auf die Schulter, bis sie gedankenabwesend die Nüstern streichelte. Das Szenarium
selbst schien die Olivianerin ungerührt zu lassen. Sie begutachtete die Lichtung mit |240| sachlichem Interesse, ihre violetten Augen richteten sich hierhin und dorthin und nahmen jede noch so geringe Kleinigkeit
in sich auf.
Skip schreckte zusammen, als er Ellah und Erle neben sich bemerkte; er hatte sie völlig vergessen. Ellah würgte und brachte
doch nichts mehr heraus. Skip brachte es nicht fertig, den Gefährten ins Gesicht zu schauen.
»Ihr drei!«, rief Garnald mit besorgter Stimme zu ihnen herüber. »Ihr kippt mir doch hoffentlich nicht um?«
»Nein ...«, krächzte Skip, da allen anderen die Stimme versagte. Er fühlte sich krank.
Ayalla trat vor sie hin und sah einem nach dem andern ins bleiche Gesicht. »Die Priester«, sagte sie tonlos, »sind eure Feinde.
Dinge
hätten sie euch angetan, die keinem Lebewesen
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