Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
Vom Netzwerk:
Amethysten her kannte. Skip
     gelang es nicht, den Blick abzuwenden. Ihr Gesicht, mit diesem energischen Kinn, den hoch angesetzten Wangenknochen, den vollen,
     sinnlichen Lippen, war so ausdrucksstark, dass er einfach nicht müde wurde, es zu betrachten.
    Den langen, nebelgrauen Mantel hatte sie über die rechte Schulter zurückgeworfen; Wams, Hemd und Hose waren allesamt schwarz
     und lagen so eng an ihrem schlanken, muskulösen Körper an, dass Skip allein vom Hinsehen ins Schwitzen geriet. Ein schmaler
     Griff ragte über der linken Schulter empor – daraus schloss er, dass sie ihr Schwert auf dem Rücken trug. Es gelang ihm nicht,
     aus dieser Entfernung Genaueres auszumachen, doch vermochte er sich mühelos vorzustellen, dass unter dem großzügig geschnittenen
     Mantel noch weitere Waffen verborgen waren.
    Noch nie hatte er eine Frau gesehen, die sich so kleidete. Aber noch erstaunlicher war die Art, wie sie sich bewegte. |32| Fließend, anmutig-elegant und so schnell, dass ihre Gestalt, als sie sich vorbeugte, um den Krug von Fedor entgegenzunehmen,
     für einen winzigen Moment zu verschwimmen schien.
    Sie unterhielt sich mit einem Mann, der am Tresen neben ihr stand, und trank ihr Ale so beiläufig, als sei es Wasser.
    »Nicht schlecht, eh?«, polterte Meister Boris’ Stimme an sein Ohr. Es fehlte nicht viel, und Skip wäre aufgesprungen; erschrocken
     sah er sich um und bemerkte, dass Ellah und Oksana verschwunden waren und der Wirt sich zu Erle und ihm an den Tisch gesetzt
     und drei Krüge Ale mitgebracht hatte.
    »Als sie vorhin hereinkam, gings mir genauso, mein Junge, ich musste sie auch dauernd anstarren«, gestand Meister Boris. »Frauen
     von ihrer Sorte kriegt man hier nicht oft zu sehen.«
    »Ihrer Sorte?«
    »Olivianerinnen.«
    »Bruder Nikolaos sagt, dass die Olivianer nicht auf Shal Addims Wegen wandeln«, warf Erle ein. Er klang ziemlich abgelenkt,
     denn wie Skip vermochte auch er nicht den Blick von der jungen Frau abzuwenden.
    »Ja«, bestätigte Meister Boris. »Darum ging’s bei den Heiligen Kriegen.« Er führte den Krug an die Lippen und trank einen
     Schluck. »So wurde es zumindest behauptet«, fügte er zögernd hinzu. Geistesabwesend ballte seine Hand sich zur Faust.
    »Glaubst du, sie kommt aus Shayil Yara?«, fragte Erle, der die schlanke Gestalt des Mädchens mit verträumtem Blick fixierte.
    Meister Boris schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht«, sagte er. »Ich erkenne einen Südländer daran, wie er redet – selbst
     dann noch, wenn er jahrelang seine Zunge dressiert hat. Mir ist noch nie einer unter die Augen gekommen, der |33| das harte ›t‹ so aussprechen kann, wie wir hier in Tallan Dar. Oder das vorangestellte ›l‹. Man muss schon damit geboren werden.
     Und noch was sag ich euch. Das Mädchen da drüben spricht unsere Sprache so sauber wie jeder von uns hier.«
    Erle runzelte die Stirn, bedachte wohl kurz den
sauberen
Umgangston des Wirts, blieb aber vollkommen ernst, dann riss er den Blick widerstrebend von der jungen Frau los und wandte
     sich seinem Bier zu. »Trotzdem«, murmelte er, »frage ich mich, was sie hier zu suchen hat.«
    »Verdammt will ich sein, wenn ich’s wüsste.« Meister Boris zuckte die Schultern. »Aber sie führt eindeutig was im Schilde.
     Stellt eine Menge Fragen.«
    Ein warnendes Bimmeln erklang in Skips Kopf. »Was für Fragen?«
    Der Wirt blickte ihn überrascht an. Und einmal mehr ermahnte sich Skip, seine Nervosität nicht gar so deutlich zu zeigen.
     Nur allzu klar spürte er, dass Erle neben ihm gleich einer Saite angespannt dasaß.
    »Sie braucht einen Hufschmied, das hab ich schon mal in Erfahrung gebracht«, berichtete Meister Boris. »Ihr Pferd hat ein
     Eisen verloren. Hab ihr gesagt, der einzige Schmied in diesem Teil der Welt lebt in Eichenhain, zehn
Werst
südlich von hier, immer die Straße entlang.«
    »Mehr wollte sie nicht wissen?«, fragte Skip.
    Die Überraschung auf Meister Boris’ breitem Gesicht verdüsterte sich zu deutlichem Argwohn. »Abgeseh’n von ein wenig belanglosem
     Gerede war das alles. Willst du mir nicht sagen, warum euch das so interessiert? Ihr seht ja beide aus, als hätt’ euch Ghaz
     Kadan höchstpersönlich aus eurem Bier zugeblinzelt.«
    »Was für eine Art belangloses Gerede?«, fragte Skip nach einem kurzen Seitenblick zu seinem Bruder beharrlich weiter.
    »Ihr wisst schon, das Übliche. Warum is’ die Schmiede so weit weg von der Hauptstraße? Ob sie ihrem Pferd den Weg |34| dorthin

Weitere Kostenlose Bücher