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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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ihm am liebsten zu Hilfe geeilt wäre. Und doch hielt ihn etwas davon ab, dieses Gespräch
     zu stören. Erst jetzt merkte er, dass er vor Anspannung mit den Zähnen knirschte.
    Unerbittlich zerrte Garnald Erle herum und wieder in Bewegung. Skip schloss zu ihnen auf und lauschte begierig.
    »Auch ich weiß nicht genau, wie sie ihre Gatten auswählt«, fuhr Garnald ganz ruhig fort. »Ich glaube allerdings, es hat etwas
     mit Alpträumen zu tun.«
    »Aber ich dachte   –«, protestierte Erle – und fast wäre er schon wieder stehen geblieben.
    Kara glitt blitzschnell an Skip vorbei. »Ihre
Gatten
?«, fragte sie, noch mitten in der Bewegung, und ihre Lippen waren zu einem sarkastischen Lächeln verzogen. »Willst du damit
     sagen – du und Ayalla –?«
    »Lass den Jungen in Ruhe!« Garnald legte Erle in väterlich tröstender Geste den Arm um die Schulter. »Es gab nichts, was er
     hätte dagegen tun können. Wie gesagt, die Mutter des Waldes erwählt sich ihre Gefährten ganz nach eigenem Gutdünken. Jeder
     Pfuhlgänger weiß darum und erlebt es mindestens einmal. So erst wird er zu einem. Dieser Wald ist Blut von unserem Blut und
     also mit uns verwandt, die Gewächse hier sind unsere Sippe. Schau’ ich an diesem Ort einen Baum an, muss ich mich fragen –
     dieser da, trägt er ein wenig von mir in sich?«
    »Wie ekelhaft!«, rief Ellah tränenerstickt, mit bebenden Lippen, und ihre Hände ballten sich zu Fäusten, bis die Knöchel fast
     die Haut aufzusprengen drohten.
    »Genug jetzt!«, herrschte Garnald befehlend. »Ich will kein Gezänk mehr hören! Oft genug hab ich’s jetzt wiederholt: Dem Jungen
     blieb keine Wahl. Im Grunde wollte sie |244| wohl eher Skip – deshalb wurde er entführt. Warum sie’s sich anders überlegt hat, das weiß ich nicht. Fest steht nur, keinem
     von euch steht’s zu, sie zu tadeln. Und nun will ich nichts mehr zu diesem Thema hören!« Sprach’s und zog den wie betäubt
     dahintrottenden Erle in schnellerer Gangart mit sich davon.
    Skip erinnerte sich, wie er in jenem Kellerraum vor ihr stand – und wie sie sagte:
»Du wirst noch erfahren, was ich will, Junge. Aber vielleicht bist nicht du derjenige, von dem ich es will.«
Und ein Schauder durchzuckte ihn. Es hätte ihn treffen können, dort in Ayallas Behausung unter dem Hügel. Shal Addim sei Dank
     war alles anders gekommen.
    Verblüfft stellte er jedoch fest, dass dieser letzte Gedanke keinesfalls so tiefempfunden war, wie ihm dies eigentlich lieb
     gewesen wäre. Ganz im Gegenteil grübelte er darüber, wie es sich wohl angefühlt hätte, wenn –
was?
Er wusste nicht einmal, was genau geschehen war, er ahnte es höchstens, spürte und witterte es, und würde er seiner Phantasie
     die Zügel schießen lassen, dann –
    Nach dem Gesetz durfte ein Mann
das
auf gar keinen Fall mit einer Frau machen, nicht, solange nicht beide der Probe unterworfen worden waren, ob sie zueinander
     passten; und erst recht nicht, solange sie nicht mit der segnenden Zustimmung der Kirche miteinander verheiratet waren. Und
     doch hatte sein eigener Bruder wohl genau das einfach getan – und keinen anderen Schaden genommen, als dass er ein wenig erschüttert
     und zittrig daherkam. Skip zupfte sich am linken Ohrläppchen – zum ersten Mal seit langem wieder. Der entscheidende Gedanke
     ließ sich dadurch nicht vertreiben:
War es wirklich ein solcher Segen, dass die Waldfrau mich verschmäht und stattdessen meinen Bruder erwählt hat?
    Erst als ein kühler, regendurchtränkter Luftzug über sein Gesicht strich, schreckte er aus seinem gedankenverlorenen Trott
     auf. Es war spät geworden, es dunkelte, und sie hatten |245| die Pfuhlhöhen erreicht. Das Sonnenwetter des Nachmittags war einem ekelhaften Nieseln gewichen, das ihre Reisemäntel nass
     und schwer machte. Der Wald zu beiden Seiten des Pfades machte mehr und mehr einen feindseligen Eindruck, und Skip verstand
     nicht, warum. Wurzeln und Äste reckten sich ihnen scheinbar aus keinem anderen Grund in den Weg, als ihr Vorankommen zu behindern.
     Je dunkler es wurde, desto öfter hatte es den Anschein, als glühten hasserfüllt starrende Augen in den Tiefen des Pfuhls.
    Dass es sich dabei, nach allem, was die Reisenden wussten, höchstwahrscheinlich um die Augen der Bäume handelte, machte das
     Ganze kein bisschen erträglicher. Nicht einmal der irrwitzige Gedanke an Garnalds
Blutsverwandtschaft
mit diesen Bäumen war eine Hilfe – zumindest nicht für Skip.
    In den dichteren

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