Das Erwachen
wirklich nur eine verbiesterte Alte, sonst nichts.«
»Sie haben Seltsames getan.«
»Seltsames?«, fragte Finn und wunderte sich, wie abfällig die Kinder klangen. Ob sie die beiden mürrischen Alten dabei ertappt hatten, wie sie es miteinander trieben? Diese Vorstellung war tatsächlich widerlich, Finn hätte es verstanden, wenn sich ein Kind dabei geängstigt hätte.
Himmel noch mal, vielleicht würden die beiden später nie Lust auf Sex haben, wenn sie Zeugen einer solchen Paarung geworden waren!
»Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht«, erzählte Ellie. »Eigentlich wollte ich rüber zu Mama und Papa, aber dann habe ich so komische Geräusche gehört und habe Joshua aufgeweckt. Dann sind wir runter. Über dem Feuer in der Küche hing ein riesiger Topf, und sie haben etwas darin gekocht.«
»Vielleicht haben sie Glühwein gemacht«, meinte Finn.
»Aber sie haben komisch gesprochen«, erklärte Ellie.
»Sie haben gesungen«, verbesserte Joshua.
»Ach ja? Und was haben sie gesungen?«
Joshua wirkte beunruhigt. »Weiß ich nicht, ich habe es nicht verstanden.«
»Hm. Und du glaubst nicht, dass sie vielleicht nur miteinander geredet haben?«
Joshua schüttelte vehement den Kopf.
»Habt ihr es euren Eltern erzählt?«, fragte Finn.
Ellie seufzte. »Sie haben geschimpft.«
»Warum?«
»Weil wir nicht in unserem Zimmer geblieben, sondern im Haus herumgerannt sind. Und sie haben auch gemeint, dass Susanna und Mr Fallon nur irgendwas gekocht haben, Wein oder Essen oder sonst etwas, und dass wir unsere Nasen nicht in fremde Angelegenheiten stecken sollen. Nur weil jetzt bald Halloween ist, dürfen wir nicht alle für Monster halten, haben sie gesagt.«
»Verstehe. Tja, nun, ich sag euch was: Ich werde heute Nacht mal selbst nachsehen. Wie findet ihr das? Ihr bleibt in euren Betten. Dort fühlt ihr euch doch sicher, oder?«
Joshua war inzwischen zu seiner Schwester gekommen. Die beiden Kinder sahen ihn mit großen, ernsten Augen an.
»Du willst wirklich aufstehen und nachsehen, was sie tun?«
»Mein großes Ehrenwort«, meinte Finn.
Joshua stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Dann habe ich keine Angst mehr.«
»Ich auch nicht«, meinte Ellie. »Und vorher hatte ich sogar in meinem Bett Angst.«
»Halloween kann einem schon ziemlich Angst machen«, meinte Finn. »Selbst mir wird manchmal ein bisschen mulmig, wenn ich Monster sehe, aber ich schwöre, wenn ihr nachts in eurem Zimmer bleibt, passiert euch nichts. Ihr sprecht doch eure Gutenachtgebete, oder?«
»Jeden Abend«, erklärte Ellie.
Finn fragte sich, wie er dazu kam, sich da so sicher zu sein. Monster waren böse Menschen. Seine Vernunft sagte ihm, dass daran nicht zu rütteln war. Doch das bedeutete keineswegs, dass nichts passieren konnte. Vielleicht trieben sich hier wirklich böse Menschen herum, die dachten, sie hätten die Macht, schreckliche Taten zu verüben.
Viele der übelsten Mörder waren Psychopathen, die dachten, Hunde würden zu ihnen reden oder der Teufel habe sie aufgefordert, ihre Untaten zu verüben.
Trotzdem lächelte er Joshua an und zauste Ellies Haare. »Ihr zwei macht euch jetzt keine Sorgen mehr und schlaft gut heute Nacht. Ich habe euch mein feierliches Ehrenwort gegeben, der Sache nachzugehen, und das tue ich auch.«
Nachdem ich nach Megan gesehen habe, dachte er.
Ellie nahm Finns Hand und drückte sie fest. »Danke, Mr Douglas. Ich weiß nicht, warum die meisten Erwachsenen Kindern nicht glauben wollen.«
Sie klang so ernst, dass er unwillkürlich lächeln musste, auch über die Weisheit ihrer Worte.
»Manchmal glauben Erwachsene, dass sie alles besser wissen, aber sie wollen eigentlich nicht gemein oder respektlos sein«, meinte Finn. »Joshua, denk daran: Ihr zwei bleibt heute schön in euren Betten liegen, okay? Ich muss jetzt arbeiten gehen, aber ich vergesse nicht, was ich euch versprochen habe.«
Joshua nickte ernst. »Das weiß ich.«
Und Finn hatte den Kindern nichts vorgemacht, er wollte sich heute Nacht in Huntington House wirklich noch einmal gründlich umsehen.
Nachdem er auf Megan aufgepasst hatte. Gut aufgepasst.
Er konnte nicht … er würde nicht versuchen, heute Nacht mit ihr zu reden, ihr etwas zu erklären, oder sie um Verzeihung bitten für etwas, das er angeblich getan hatte.
Er würde sich ganz geschäftsmäßig geben und Distanz wahren.
Aber auch auf sie aufpassen. Denn er hatte das Gefühl, von jemandem gewarnt worden zu sein, der etwas wusste, egal wie unlogisch es auch
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