Das Erwachen
eingerahmt von den dunklen Wimpern und seinen markanten, geschwungenen Brauen. Dass sie ihn verdächtigt hatte, ihre Rettung vorzutäuschen, erfüllte sie plötzlich mit Scham. Dies war der Mann, den sie kannte und liebte. Der Gedanke, ihn womöglich zu verlieren, war entsetzlich. Wie lange würde er noch so viel Geduld mit ihr aufbringen?
Und dennoch, diesen Morgen …
Sie war in diesem Moment sicher gewesen, sterben zu müssen.
»Ich dachte, ich sollte zu Tante Martha gehen, weil … na ja, sie ist so vernünftig. Ich weiß, du glaubst, dass Morwenna und Joseph einen Keil zwischen uns treiben wollen. Aber das stimmt nicht; Morwenna mag dich sehr gern, und mit Joseph kommst du ja anscheinend ganz gut aus.« Und erst recht mit Sara!, hätte sie beinahe hinzugefügt. »Jedenfalls, ich wollte einfach nicht … na ja, irgendwelchen Gedanken von dir über Wiccas Auftrieb geben, und deshalb bin ich zu Tante Martha gegangen. Aber … das hast du ohnehin gewusst, nehme ich an.«
Er zuckte die Achseln. »Du warst nicht bei Morwenna, also habe ich angenommen, du bist bei Martha, ja.«
»Finn«, murmelte sie. »Ich habe dich nicht verlassen. Jedenfalls nicht so wie damals. Ich verstehe nur nicht, was los ist, und tatsächlich habe ich dich verlassen, weil ich dich liebe, und ich bin nicht sauer oder eifersüchtig oder sonst irgendetwas … Ich habe nur Angst.«
»Schon gut. Ich verstehe.«
»Ja? Wirklich?«
»Ja.«
Einen Moment lang stand sie verlegen da, dann lächelte sie. »Irgendwie macht es das noch schwieriger. Sei nicht zu nett – nicht, wenn ich mich wie ein Trottel fühle. Wenigstens dauert es bis Halloween nicht mehr lange. Dann sind wir von hier weg. Und wenn diese Träume dann nicht aufhören, dann gehen wir sofort zu einem Psychotherapeuten!«
»Steig ein, setz dich in deinen Wagen. Ich fahre dir bis zu Tante Martha hinterher.«
»Du musst mir nicht …«
»Doch, das muss ich.«
Sie zuckte die Achseln. »Na gut.«
»Und keine Angst, ich bleibe nicht. Ich muss heute Nacht noch so etwas wie ein Versprechen einlösen.«
»Ah ja? Etwas, was ich wissen sollte?«, fragte sie. Ein Anflug von Eifersucht machte sich in ihrem Herzen breit. Fiel sie jetzt auf etwas unglaublich Dummes herein? Hatte er sich mit Sara verabredet oder gar mit dieser Gayle Sawyer, die gleich mit der Tür ins Haus fiel?
»Ein Versprechen – und eine Nachforschung«, erklärte er und verzog wehmütig das Gesicht.
»Wovon redest du?«
»Ich habe heute am frühen Abend die Kinder getroffen, und sie waren beunruhigt über etwas, das der alte Fallon gemacht hat.«
»Wirklich? Was denn?«
»Er hat wohl irgendetwas in einem großen Topf gekocht und dabei Zaubersprüche gemurmelt oder so ähnlich. Jedenfalls habe ich mir vorgenommen, mich in aller Herrgottsfrühe mal ein bisschen umzusehen.«
»Finn … meinst du wirklich, du solltest das tun?«
»Absolut. Was ist, wenn der Alte tatsächlich glaubt, er könnte für Halloween etwas zusammenbrauen? Er könnte gefährlich sein, und es sind nun einmal diese beiden Kinder im Haus.«
»Finn, du musst aufpassen«, warnte sie ihn besorgt. »Fallon mag dich nicht, wie du weißt.«
»Ob du’s glaubst oder nicht, aber ich finde ihn auch nicht so toll.«
»Trotzdem …«
»Mach dir deshalb keine Sorgen. Wenn ich ihn dabei erwische, dass er irgendetwas Seltsames macht, frage ich ihn einfach, was er da treibt. Und vielleicht hat er ja eine absolut vernünftige Erklärung parat.«
»Warum sind die Kinder nicht zu ihren Eltern gegangen?«
»Das sind sie.«
»Und?«
»Es sind Kinder – sie haben Ärger gekriegt, weil sie sich nachts herumgetrieben haben.«
Megan zögerte. »Vielleicht sollte ich mit dir zurückfahren. Manchmal bist du wie ein großes Kind. Vielleicht muss ich dich vor Schwierigkeiten schützen.«
Er schüttelte ernst den Kopf. »Megan, du hast mir noch nicht einmal gesagt, was ich getan habe – oder angeblich getan habe.«
»Finn, von angeblich kann keine Rede sein. Du hättest mich beinahe erwürgt. Du bist nachts aufgewacht und hast dich aufgeführt wie ein sexuell ausgehungerter Ex-Häftling, und dann … am Ende … hast du mich fast erwürgt.«
Er erwiderte starr ihren Blick, mit steifer Haltung, zusammengebissenen Zähnen und die Augen fast so dunkel wie der seltsame blaue Nebel, der nachts so oft aufkam.
»Du hast keine blauen Flecken am Hals, Megan«, sagte er kalt.
»Finn, vielleicht bin ich ja diejenige, die schreiend aufwacht, aber du hast auch wüste
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