Das Erwachen
meinst du denn, was mit uns los ist? Ist einer von uns … verrückt? Oder schlimmer noch – psychotisch?«
»Nein«, erwiderte er unumwunden und voller Bestimmtheit. »Ich wünschte, hier wären nicht so viele Wälder«, murmelte er dann.
Mit einem Lächeln berührte sie sein Kinn. »Auf dem Nachtkästchen steht ein Telefon. Wenn du die Eins drückst, ruft es die Polizei an. Bei zwei dein Handy. Habe ich heute einprogrammiert.«
»Echt?«, meinte er mit heiserer Stimme. »Hm … wäre schön gewesen, wenn du heute Morgen abgenommen hättest, als ich dich anrief.«
»Finn … du verstehst nicht.«
»Du hast recht, tue ich nicht, aber das macht nichts. Ich glaube, dass du wirklich große Angst vor mir hast, und so schmerzlich das ist … aber ich werde damit fertig. Am ersten November sind wir von hier weg. Wieder zu Hause. Und du kannst dich in ein anderes Zimmer einschließen, bis wir Gelegenheit haben, mit jemandem zu reden. Noch zwei Nächte. Ich kann geduldig sein.«
»Ich bin mir da bei mir nicht so sicher«, flüsterte sie.
Er veränderte seine Position, als wollte er aufstehen.
»Ich muss nach Huntington House zurück«, erklärte er.
Megan zögerte. »Kannst du noch ein paar Minuten warten? Ich möchte nur kurz duschen, wirklich ganz kurz. Ich habe ein Gefühl, als würde ich nach Essen, Nebel, Rauch und Schnaps stinken.«
»Klar. Ich warte solange.«
Sie stand auf. Er schluckte den Köder nicht. Vielleicht meinte er, dass sie wirklich nur duschen wollte oder dass sie sich wie ein Miststück benahm und ihn verließ, aber gleichzeitig ihr Spielchen mit ihm spielte.
Sie ließ ihn auf dem Boden sitzen und ging ins Badezimmer.
Martha, die immer unruhig schlief, wachte auf, ohne recht zu wissen, weshalb, wenn es nicht doch der Umstand war, dass ihre Knochen alt und eingerostet waren und beim Umdrehen Lärm machten und jedes kleinste Geräusch sie auffahren ließ.
Einen Moment lang lag sie wach, dann stand sie auf, schlüpfte in ihre Hausschuhe und trat ans Fenster.
Sie lächelte wohlwollend, erfreut zu sehen, dass Finns Wagen vor dem Haus stand.
»Diese perfekten, bezaubernden jungen Leute!«, murmelte sie vor sich hin. Natürlich hatten sie Probleme. Ernste Probleme, und sie wusste, dass sie ein wachsames Auge auf Finn haben musste. Aber wirklich, eigentlich waren sie doch wie Adonis und Venus, diese zwei, so unglaublich schön zusammen.
Sie war sehr stolz auf sich, weil sie die heiße Schokolade hergerichtet hatte. Es war ihre Art, Finn wissen zu lassen, dass er, Probleme hin oder her, jederzeit zu ihr kommen konnte. Das war doch viel besser für ihn, als zu Morwenna und Joseph zu gehen!
Der Hof war hell erleuchtet. In ein paar Tagen war Vollmond, und das Licht des Mondes war ungewöhnlich stark.
Ah, gut. Sie waren zusammen, so wie es sein sollte. Wie es sein würde.
Martha lachte leise. »Na, altes Weib, du könntest dir auf die Schulter klopfen – wenn du bloß noch hinkämst«, sagte sie sich leise.
Sehr mit sich selbst zufrieden, ging sie in ihr Bett zurück und schlief sofort wieder ein.
Das Badezimmer war ein weiteres sehr hübsches und sehr vernünftiges Zugeständnis an die moderne Zeit. Megan war froh, dass Martha so praktisch veranlagt war, was ihr Zuhause anbelangte. Das Alte blieb erhalten, so weit es möglich war, und Neues kam hinzu, wo es Sinn ergab. Martha hatte das Bad vor höchstens zehn Jahren renovieren lassen. Die Duschecke war mit Marmor gefliest, die Kabine bestand aus Mattglas. Das dunkelblaue Waschbecken stand frei. Megan zog sich rasch aus und rümpfte dabei die Nase – es stimmte, dass sie nachts, wenn sie das Hotel verließen, nach der Luft im Tanzsaal rochen.
Sie drehte das heiße Wasser auf, nahm sich Badegel aus dem Spender und begann, sich mit dem Schwamm einzuseifen.
Sie war erstaunt über die Sinnlichkeit, die das heiße Wasser in ihr auslöste, jede noch so kleine Berührung des von einem Netz umhüllten Schwamms auf ihrer Haut. Sie war erstaunt zu spüren, dass es sie erregte, während sie damit über ihre Arme strich, über ihre Schultern, um ihre Brüste herum, nach unten zum Bauch … Es war drei Uhr früh, irgendwie brach die Welt ganz seltsam auseinander, und sie brannte … von heißem Dampf … der Berührung eines Netzes … dem Streicheln ihrer eigenen Hände.
Schrecklich! Sie musste ihn doch nur bitten, hereinzukommen. Er würde kommen …
Es sei denn, es war eine Lüge. Es sei denn, die Gewalt war real, und er musste wirklich noch
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