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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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würde sie noch immer nach vorn blicken.
    Eine Gestalt, gleich der ersten, stand hinter ihr. Beide trugen Umhänge mit Kapuzen, dunkel und flatternd, als herrsche ein starker Wind, was aber gar nicht sein konnte, denn der Nebel lichtete sich nicht, er trieb und waberte um ihre Füße herum.
    Sie wusste nicht, ob sie vorwärtsrennen oder fliehen und in die andere Richtung laufen sollte. Wieder hörte sie ihren Namen rufen. Leise, spöttisch. Sie merkte nicht, dass sie sich wieder bewegte, doch ihre Schritte brachten sie dem Wesen vor ihr näher. Durch den blauen Nebel sah sie etwas kräftig Rotes. Punkte … Augen. Sie konnte nicht wirklich etwas sehen, doch sie meinte etwas zu riechen, einen üblen Geruch, Verwesendes, Totes. Ihr Instinkt riet ihr, sich aus dem Staub zu machen. Sie wurde nicht festgehalten, und doch war es, als schlössen sich Arme um sie, lockten sie immer weiter vorwärts. Elfenbeinerne Finger schienen im blauen Licht zu tanzen, sie anzulocken.
    Megan, Megan, Megan …
    Dann …
    Die Kreatur. Die Kreatur, die sie im Museum gesehen hatte. Das Gesicht eines Mannes, aber mit Hörnern an den Schläfen, einem deutlich vorstehenden Kinn, bösen, brennenden Augen.
    Megan …!
    Mit einem Lächeln flüsterte er ihren Namen, vertraulich, wie eine Liebkosung.
    Jetzt endlich machte sie kehrt und rannte; da war die Gestalt hinter ihr. Sie musste sie erreichen, denn Hilfe musste von hinten kommen …
    Sie rannte und rannte und rannte und hielt plötzlich inne.
    Und da war er wieder. Die Gestalt, die hinter ihr gewesen zu sein schien … es aber nicht war. Es war die gehörnte Kreatur, die vor ihr gestanden hatte.
    Finger berührten sie, streichelten ihr Gesicht, ihre Arme, ihre Arme … die Arme, die sie nun fester umschlangen.
    Sie schrie, sie befreite sich.
    »Nein … ich bin weggerannt, weggerannt. Ich bin fortgerannt. Zu dem anderen!«
    Die Kreatur begann zu lachen und lachte und lachte. Und wieder kam die Stimme, wie eine böse Liebkosung.
    »Verstehst du denn nicht, wir sind ein und derselbe!«
    Sie wachte von Entsetzen geschüttelt auf.
    Tageslicht durchflutete das Zimmer. Vögel zwitscherten.
    Megan war schweißgebadet. Sie setzte die Füße auf den Boden auf, um ins Bad zu gehen und sich das Gesicht kalt abzuwaschen. Das Zimmer war kühl; sie tastete barfuß nach ihren Hausschuhen.
    Sie blickte auf den Boden.
    Kleine Erdkrumen auf dem Teppich. Megan runzelte die Stirn, hob die Füße an. An ihren Sohlen hingen kleine Brösel aus Erde und ein paar kleine Grashalme.
    Unmöglich …
    Sie verbarg das Gesicht in den Händen und unterdrückte einen Schrei. Dann sprang sie auf, ging schnurstracks in die Dusche und schrubbte sich heftig die Fußsohlen, denn wenn der Schmutz weg war, würde auch das unmögliche Bild verschwunden sein. Sie fluchte, weil das abfließende Wasser ein wenig gerötet war …
    Blut.
    Sie hatte sich an einem Fuß verletzt. An einen Schmerz konnte sie sich nicht erinnern, auch nicht an Blut am Fuß, als sie den Schmutz zum ersten Mal sah, aber … ihre Füße waren schmutzig gewesen. Und nun bluteten sie auch, wie es schien.
    War sie im Schlaf nach draußen gegangen? Oh Gott, diese Albträume wurden einfach zu viel. So wirklich …
    Sie hätte Martha rufen, ihr von dem Traum und dem Schmutz an ihren Füßen erzählen sollen.
    Martha! Sie wollte sie jetzt sofort sehen, mit ihrem praktischen Sinn und ihrer Vernunft.
    Megan verließ die Dusche, zog sich rasch an und rannte aus dem Zimmer. »Tante Martha!«
    Es kam keine Antwort, doch auf der Anrichte in der Küche lag ein Zettel: »Bin beim Einkaufen, Liebes – fühl dich wie zu Hause!«
    Sie musste also warten, aber sie würde mit Tante Martha reden, und irgendwie würde sich eine vernünftige Erklärung finden. Vielleicht war sie ein paar Schritte nach draußen gegangen, als Finn gefahren war … vielleicht hatten sie den Schmutz mit hereingetragen, als sie ins Zimmer gekommen waren, und dann war er vom Teppich an ihre nackten Füße gekommen. Sicher, das war die logische Erklärung.
    Finn.
    Sie wünschte, er wäre jetzt bei ihr. Sie sollte es ihm sagen …
    Oder besser nicht. Er hatte darauf bestanden, dass sie geträumt hatte und nicht er. Aber das stimmte so nicht. Auch er hatte Träume. Und er benahm sich viel zu eigenartig.
    Es war besser, mit Martha zu reden. Mit jemandem, der ein bisschen Distanz hatte. Finn konnte sie diese Geschichte nicht erzählen und Morwenna schon gleich gar nicht; die würde viel zu viel

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