Das Erwachen
entnahm. Sein Singsang war sehr leise, doch während er die Lippen bewegte, warf er einiges aus dem Behältnis in den dampfenden Topf, dann wiederholte er die Worte lauter und warf noch mehr hinein.
Flammen loderten und glühendes Holz knackte. Fallon sang und sang.
Finn spürte, wie er die Zähne so fest zusammenbiss, dass er befürchtete gleich werde ein Knochen krachen. Er öffnete die Tür ganz und trat in die Küche, verärgert und auch beunruhigt und zornig auf sich selbst und auf Fallon, weil er sich von einem derart lächerlichen Gehabe beunruhigen ließ.
»Was zum Teufel machen Sie denn da?«, fragte er.
15
Erschreckt schrie Fallon auf, ließ das Kästchen fallen und sprang auf die Füße, den Blick voller Entsetzen auf Finn gerichtet.
Dann verwandelte sich seine entsetzte Miene in Zorn und Unmut.
»Was zum Teufel tun Sie denn hier?«, fragte er Finn wütend und zeigte mit einem knöchernen Finger auf ihn. »Sie machen alles kaputt, Sie Trottel! Alles machen Sie kaputt!«
»Mr Fallon, es ist ja wohl klar, dass Sie hier etwas Übles im Schilde führen …«
»Machen Sie sich doch nicht lächerlich, Sie junger Schwachkopf!«, herrschte er Finn so gewichtig an, dass dieser fast einen Schritt zurückgetreten wäre.
»Sie brauen hier doch nicht etwa einen Zaubertrank zusammen?«, fragte Finn vorwurfsvoll.
»Aber natürlich tue ich das! Ich bin ein Wicca, junger Mann, aber das geht Sie ja wohl nichts an. Und wenn Sie auf das hören würden, was man Ihnen gesagt hat, dann würden Sie wissen, dass Wicccas nichts Böses tun – dass sie das gar nicht können. Auf einen Wicca fällt alles Böse dreifach zurück, und deshalb würde ein echter Wicca niemals Böses tun!«
Es erstaunte Finn, wie aufrichtig und geradezu leidenschaftlich ernsthaft Fallon wirkte.
»Dürfte ich Sie dann einfach fragen, was Sie hier tun?«, wollte er wissen.
»Nein, das dürfen Sie nicht, weil Sie das wie bereits gesagt nichts angeht!«, erklärte Fallon schroff.
Er starrte Finn kopfschüttelnd an. »Ein Zauber, ja. Als Schutz.«
»Schutz?«
»Vor den Toten und denen, die nicht von dieser Erde sind«, sagte Fallon. Er wandte sich ab, sank wieder auf die Knie und warf erneut etwas – etwas Grünes, wohl irgendein Kraut – in den Kessel. Und dieses Mal verstand Finn seinen Singsang.
»Zaubertrank, du hast das Leben,
Rette uns vor bösem Streben,
Gesegnet seien alle Lebenden und Toten,
erlöst von Leid und Qual auf Gottes Boden,
Furcht und Mühsal sind nun vergangen,
Niemand muss mehr vor der Bestie bangen,
Halt fern von uns, die im Bösen herrschen,
Und alle, die dieses Leben verwerfen
Gib uns Sicherheit, gib uns Frieden,
Nimm keinen Körper an als Pfand
Wie du es willst, sei das ganze Land.«
Finn war nicht sicher, ob er es sich einbildete oder nicht, doch es schien, als würden aus dem köchelnden Kessel oder dem Feuer darunter Funken aufsteigen. Fallon hielt den Kopf wie zum Gebet gesenkt. Dann stand er auf und blickte Finn durchdringend an.
»Wenn Sie nur einen Funken Verstand im Kopf hätten, junger Mann, dann würden Sie auch niederknien.«
»Mr Fallon, ich bin kein Wicca.«
»Kein Wicca, ja? Und das hält Sie davon ab zu beten? Anfangs hatte ich noch gedacht, dass Sie irgendwie etwas Besonderes sind. Dass Sie stark sind, stark genug, um das Böse davon abzuhalten, aufzuerstehen. Aber Sie sind ein Trottel. Kein Wicca! Dann sehen Sie zu, dass Sie in eine Kirche kommen oder einen Tempel. Es gibt nur zwei Mächte auf dieser Welt, und Sie können das Große und das Gute beim Namen eines höchsten Wesens nennen, ein Gott über alle Götter, oder Sie können Frieden und Güte in einer Schar gütiger Wesenheiten suchen. Das Böse ist der Herr der anderen Seite, und bei welchem Namen du es nennst, spielt keine Rolle. Spürst du nicht, dass es kommt, mein Junge? Hast du den Nebel nicht gesehen? Mach dich nicht über mich lustig – sei lieber froh, dass ich Tränke bereite und bete und dieses Haus vor dem Bösen bewahre!«
Der alte Mann musste wirklich verrückt sein. Er glaubte voll und ganz an das, was er da von sich gab.
Nur dass …
Finn hatte den Nebel gesehen. Nebel. Ein Wetterphänomen. Aber er kam und ging auf eine so seltsame Weise. Dies ist Neuengland; wenn dir das Wetter nicht gefällt, warte ein paar Stunden, dann hat es sich verändert.
Nein, nicht einmal in Neuengland kam und ging Nebel derart schnell.
Plötzlich fühlte sich Finn versucht, Fallon zu fragen, ob er von einem Dämon namens Bac-Dal gehört
Weitere Kostenlose Bücher