Das Erwachen
habe.
Er tat es nicht. Schließlich war dies nur der alte, mürrische Fallon, ernst und geradeheraus wie die Pilger in den frühen Tagen, der in einem Kessel Kräuter auskochte.
Er wagte es nicht, dem Alten Vertrauen zu schenken.
»Sicher, Mr Fallon. Wenn Ihre Absicht darin besteht, Ihr Haus abzusichern, na ja, dann kann man Ihnen nur möglichst viel Macht wünschen, Sir.«
Wieder zeigte Fallon mit seinem langen, knochigen Finger auf ihn. »Mach du dich nicht lustig, Junge. Wie schon gesagt, wenn du etwas im Hirn hast, dann sieh zu, dass du in ein Gebetshaus kommst. Irgendeines!« Er schüttelte den Kopf. »Nach Halloween sehe ich dich nicht mehr. So viel ist sicher.«
»Sie haben recht. Wir fahren sofort am nächsten Morgen los.«
»Ja ja, rede nur. Du wirst fort sein – so oder so. Und jetzt lass mir meine Ruhe. Dies ist mein Haus, und Gäste haben mitten in der Nacht in der Küche nichts zu suchen! Also …«
»Gute Nacht, Mr Fallon.« Finn fiel ihm ins Wort.
Er verließ die Küche und ging geradewegs in sein Zimmer zurück. Dort vergewisserte er sich noch einmal sehr sorgfältig, dass beide Türen abgeschlossen waren.
Fallons Treiben beunruhigte ihn.
Seltsamerweise glaubte er dem alten Mann. Seine Gesänge und Sprüche kamen Finn absolut wohlmeinend vor, als glaube Fallon selbst ganz fest daran, dass das Haus geschützt werden müsse.
Außerdem wollte er mit dem Mann reden, ihm Fragen stellen.
Aber so aufrichtig er auch schien und so unschuldig die Worte seines Singsangs sein mochten, Finn konnte und wollte ihm nicht trauen. Niemandem hier konnte man vertrauen.
Er war erschöpft; es war lächerlich spät – oder auch früh, je nachdem, wie man es sehen wollte. Er musste unbedingt schlafen, doch gleichzeitig fürchtete er sich davor. Megan hatte ihn verlassen, aber aller Vernunft nach musste er darüber froh sein.
Weil er nicht wusste, was er mitten in der Nacht tat.
Er knüllte sein Kissen zusammen, entschlossen, noch etwas Ruhe zu bekommen.
Eigentlich hätte Megan gut schlafen müssen. Sie war glücklich, als Finn ging; es war, als würde sie in seiner Wärme eingeschlossen bleiben. Er schien alles zu verstehen. Er liebte sie.
Doch nachdem sie sich lange hin und her gewälzt hatte, ehe sie endlich einschlief, plagten die Träume sie erneut.
Es begann mit dem Klang ihres Namens. Leise, in ihrem Gedächtnis widerhallend, unwiderstehlich erotisch geflüstert. Wie der Ruf einer Sirene ließ sich dieses Windgeflüster ihres Namens einfach nicht ignorieren. Sie hatte das Gefühl, als Reaktion darauf fortzutreiben, diesem Ruf zu folgen.
Sie kehrte in den Wald zurück und zu dem unheiligen Friedhof.
Doch dieses Mal war der alte Andy nicht da, um ihr Geschichten zu erzählen.
Die Baumkronen bildeten ein dunkles Dach, und es roch stark nach Vegetation und Erde. Sie spürte, wie ihre nackten Füße feuchten Boden und Graspolster berührten. Sie wusste, dass sie zu der seltsamen Marmorstatue ging, die sie für einen Engel gehalten hatte, die in dem unheiligen Friedhof aber natürlich ein Dämon war.
Sie ging durch den Nebel und hörte, wie ihr Name gerufen wurde. Überall um sie herum war ein Flüstern zu vernehmen. Sie hatte Angst weiterzugehen, doch sie musste es tun; es war wie ein Zwang.
Sie wusste, dass sie von der Statue angezogen wurde. Im Boden waren kleine Markierungen eingelassen – für andere, die vor langer Zeit gelebt hatten. Während sie weiterging, schienen sich Geister zu erheben wie Erscheinungen oder wie ein Teil des Nebels. Sie flüsterten, sie sangen … oder rezitierten. Nebelschwaden – oder Geister? – umschwebten sie, drängten sie vorwärts wie die Stimmen.
Sie bildete sich ein, Gesichter zu sehen, meinte, sie erkennen zu müssen, doch sie waren zu undeutlich.
»So perfekt«, flüsterte jemand.
»Die Stimme einer Nachtigall.«
Gar nicht so perfekt!, wollte sie erwidern. Sie wollte ihnen sagen, dass sie sie nicht wollten, dass der Dämon Bac-Dal sie nicht wollte.
»Im Tod ist Leben«, flüsterte eine andere Stimme.
»Die Zeit ist noch nicht gekommen«, eine weitere.
»Aber Er würde berühren, Er würde sehen, Er würde wissen!«
Eine Gestalt stand vor ihr. Sie wollte sich umdrehen und weglaufen, und sie brachte es fertig, nicht weiterzugehen. Megan haderte mit sich selbst, sie sagte sich, sie sei ein Geschöpf mit freiem Willen und könnte gegen die Kraft ankämpfen, die sie vorwärtstrieb. Und sie konnte es auch.
Sie blickte zurück.
Doch … es schien, als
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