Das Erwachen
und falsch und habe womöglich auf dem Weg nach Maine, um mich zu besuchen, in Boston Station gemacht und dort einen entsetzlichen Mord verübt!«
Morwenna wirkte gequält. »Das ist es doch gerade – ich bekomme doch selbst die widersprüchlichsten Gefühle – von Finn.«
»Morwenna, du bist meine Cousine, und ich liebe dich. Aber ich liebe auch Finn. Also, wenn du unbegründete Verdächtigungen in die Welt setzen willst, dann tu das nicht bei mir!«
»Ist ja gut, ist ja gut, entschuldige, Megan … es ist nur, dass …«
»Hör auf!«
»Nein, ich wollte euch eigentlich nahelegen, euch beide mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Ich meine, es ist doch so – euer Leben, eure Träume zumindest, sind doch unglaublich seltsam. Also gut, jetzt sage ich es dir ganz direkt …«
»Nein! Ich will nichts Unglaubliches mehr hören.«
»Du musst aber. Denn ich glaube, dass Finn vielleicht ein Dämon ist.«
»Ein Dämon!«
»Genau. Du musst unbedingt ein paar dieser alten Sachen lesen, auf die ich gestoßen bin. Falls …«
»Morwenna, ich muss jetzt gehen.« Megan stand abrupt auf und blickte zornig auf sie herab.
»Nein, warte.«
Megan lehnte sich an den Schreibtisch und starrte ihre Cousine böse an. »Mein Mann ist kein Dämon!«
»Megan, bitte …«
Wütend machte Megan kehrt. Sie bemerkte nicht, wie Joseph, Jamie, Sara und sogar das neue Mädchen sie beobachteten, als sie hinausstürmte.
Das Restaurant war ziemlich voll, aber auf der Terrasse gab es noch freie Plätze. Eine Ecke war von den anderen Tischen mit Palmen abgetrennt. Die Besitzer pflegten diese Bäume in den Wintermonaten wohl besonders. Die Empfangsdame hatte ihnen ursprünglich einen anderen Tisch zugewiesen, doch eine bloße Andeutung von Lucian, dass sie die abgeschiedene Ecke bevorzugten, stimmte sie sofort um.
Sie bestellten alle Kaffee. Finn war es vollkommen gleichgültig, was er aß; Lucian und Jade hingegen studierten die Speisekarte eingehend, und erst nachdem der Kaffee samt Wasser serviert war, widmeten sie ihre Aufmerksamkeit Finn.
Sie starrten beide so erwartungsvoll auf ihn, dass er sich plötzlich lächerlich vorkam. »Ich … also, ich hoffe, Sie beide wollten wirklich ohnehin kommen, denn wahrscheinlich hätte ich Sie doch nicht anrufen sollen. Alles, was ich zu sagen habe, wird Ihnen höchst lächerlich vorkommen.«
»Oh, wir lieben alles, was lächerlich ist«, sagte Jade und warf dabei einen kurzen Blick auf ihren Ehemann. »Was ist denn geschehen, was hat Sie veranlasst, uns anzurufen?«
Er zuckte die Achseln. »Wie schon am Telefon gesagt – Träume. Ich könnte mir vorstellen, dass Freud das alles ganz einfach erklären könnte. Abgesehen davon, dass … also, wie es scheint, haben wir, Megan und ich, beide Träume, und wenn ich meine Frau richtig verstehe, dann sind sie beängstigend ähnlich.«
»Was passiert in diesen Träumen?«, fragte Lucian.
Finn zögerte erneut. »Ich füge darin meiner Frau Schmerzen zu, oder ich töte sie.«
»Ah«, murmelte Jade.
»Ah?«, wiederholte Finn fragend.
»Die Träume begannen, als Sie hierherkamen?«, fragte Lucian weiter.
Finn nickte.
»Und davor ist keinem von euch beiden etwas – irgendetwas – Ungewöhnliches zugestoßen«, fragte Lucian.
»Nein«, antwortete Finn in aller Ehrlichkeit, runzelte aber dann die Stirn. »Oder – doch, vielleicht schon.«
»Was?«, fragte Jade.
»Ich fürchte mich, das auch nur auszusprechen, weil … na ja, Sie werden es gleich verstehen. Megan und ich hatten uns getrennt. Meinungsverschiedenheiten – ganz normale Missverständnisse, die nichts mit Träumen zu tun hatten –, und ich fuhr nach Maine hinauf, um mit ihr zu reden. Ich saß den ganzen Tag lang am Steuer und musste schließlich in Boston haltmachen … und – ich war nicht betrunken oder sonst irgendetwas, aber ich muss in einer Kneipe eingepennt sein. Ich bin auf der Straße aufgewacht, weil mich ein Polizist anstubste. Ich habe so etwas noch nie in meinem Leben gemacht. Es war, als hätte ich einfach die Zeit verloren und jede Erinnerung daran, wie ich aus der Kneipe heraus und auf die Straße gekommen bin. Ich kann das nur so verstehen, dass ich völlig erschöpft und vom Fahren übermüdet war. Aber ich denke, das kann man durchaus als seltsam bezeichnen.« Er zögerte erneut. »Ich erzähle das auch deshalb äußerst ungern, weil genau am selben Wochenende in Boston diese junge Frau ermordet wurde.«
»Ah«, murmelte dieses Mal Lucian.
»Hey, kommen Sie
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