Das Erwachen
Museum, ein bodenständiger Typ. Sachlich, nüchtern. Ich sollte ihn eigentlich mögen. Aber ich mag ihn nicht. Das Mädchen, das für ihn die Tickets verkauft, heißt Gayle Sawyer, ein seltsames Ding – sieht tagsüber aus, als käme sie von einer Elite-Uni, aber nachts ist sie eine Gothic. Dann gibt es noch einen Polizisten, der uns wirklich geholfen hat, als an der Bar ein Betrunkener unangenehm wurde – Theo Martin. Und er hat einen Bruder, Eddie – der Typ mit dem Buchladen, zu dem mich Sara brachte, um über Cabal Thorne nachzulesen. Die beiden sind übrigens eineiige Zwillinge. Und dann … dann ist da noch der alte Andy Markham. Mit dem hat eigentlich alles angefangen, glaube ich. Als wir noch ganz neu hier waren, haben wir eine seiner Sitzungen besucht, in denen er Geschichten erzählt. In der Nacht darauf wachte Megan zum ersten Mal schreiend auf. Dann kam Fallon an die Tür, weil er offenbar glaubte, ich würde meine Frau schlagen. Die Sache ist … es ist, als würden diese Träume nie aufhören. Und … das werden Sie heute Nacht sehen. Da ist auch dieser Nebel … okay, wir sind in Neuengland. Es gibt hier häufig Nebel. Aber dies ist ein verdammt eigenartiger Nebel.«
»Was ist mit Huntington House?«, wollte Lucian wissen.
»Ich habe Ihnen von Fallon und Susanna erzählt.«
»Was ist mit den anderen Gästen?«
»Also, wenn sie keine Leute im Keller verstecken – ich weiß nur noch von zwei anderen Paaren, Brad und Mary – Mitte bis Ende dreißig, das sind die beiden mit den Kindern, Joshua und Ellie. Das andere Paar – die sind wohl Ende zwanzig, Anfang dreißig. John und Sally. Sie ist sehr hübsch, und beide sind sehr angenehm. Ich glaube, sie alle haben Megan in jener Nacht schreien gehört, aber sie scheinen zu glauben, dass sie wirklich einen Albtraum hatte.« Er zögerte und zuckte mit den Schultern. »Megans Familie lebt seit Generationen hier, deshalb verbreiten sich Gerüchte über sie offenbar sehr rasch. Vor unserer Trennung hatten wir eine Auseinandersetzung. Genauer gesagt, Megan hat mich mit einem Baguette geschlagen. Aber als die Geschichte anfing, die Runde zu machen, war ich schon nach kurzer Zeit einer, der seine Frau prügelt, und aus dem Baguette war eine Weinflasche geworden oder so. Ich weiß nicht genau, wer da was gefaselt hat, aber ihr wisst schon, vielleicht Tante Martha oder Morwenna oder Joseph … jedenfalls, ich vermute, als wir in Huntington House eincheckten, hatten wir bereits einen gewissen Ruf, zumindest in den Augen des alten Fallon.«
»Gerüchte verbreiten sich nun einmal«, meinte Jade, während sie Spinat auf ihrem Teller hin und her schob.
»Und tatsächlich sind hier jetzt sehr viele Leute«, sagte Lucian achselzuckend, »Sie haben wahrscheinlich mit Dutzenden gesprochen, an die Sie sich gar nicht mehr erinnern. Aber gehen wir einmal weiter zurück. Als wir Sie in New Orleans trafen, waren Sie verheiratet, Sie hatten sich gerade getrennt – und Sie hatten die Fahrt nach Maine hinauf gemacht, um Ihre Frau zu finden?«
»Richtig«, antwortete Finn und hielt den Blick fest auf ihn gerichtet. »Hat das irgendetwas zu bedeuten?«
»Ich weiß nicht«, sagte Lucian. »Vielleicht.« Er zögerte etwas. »Sie hatten also keine Verbindung zu dieser Gegend, bevor Sie hierherkamen – oder durchfuhren?«
»Nein«, erwiderte Finn kopfschüttelnd. »Ich war nie zuvor in Salem. Das weiß ich. Nicht einmal als Kind. Warten Sie – ich war vielleicht doch in Salem. Ich fuhr von Louisiana nach Maine, kam durch die Gegend um Boston und hielt bald danach irgendwo an zum Mittagessen. Aber eine Verbindung? Wenn Sie es eine Verbindung nennen wollen, dass man einen Hamburger bestellt, dann habe ich vielleicht eine.«
»Aber Sie waren schon seit einiger Zeit mit Megan verheiratet, nicht wahr?«
Er nickte. »Ja. Und …?«
»Und das wussten alle, richtig?«
»Alle? Also, jeder, der uns kannte, wusste, dass wir verheiratet sind. Wir haben es nicht geheim gehalten oder so. Und? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich irgendjemand über unsere Ehe Gedanken machen würde. Ist das in irgendeiner Weise von Bedeutung?«
»Auch das weiß ich nicht«, sagte Lucian. »Möchte noch jemand Kaffee? Dessert? Wenn nicht, dann würde ich mich wirklich gern zu diesem Buchladen aufmachen.«
Morwenna war im Keller, sie stand vor dem Altar.
Kerzen brannten.
Sie hatte das Haupt geneigt und war in sich versunken.
Sie starrte in die Flammen, verengte die Augen zu Schlitzen und ließ
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