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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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auch wenn er eher grunzte als redete. Er stammte nicht aus der Gegend und hatte vorher woanders für die Hotelkette gearbeitet. Halloween bedeutete für ihn Geld und gutes Geschäft, nichts weiter.
    Sam Tartan, der Mann, der Finn per Telefon engagiert hatte, war das genaue Gegenteil von Spade. Er wirkte eher schlaksig in seinem Anzug und sah aus wie Ichabod Crane aus der Gruselgeschichte Sleepy Hollow – Köpfe werden rollen. Nachdem er Finn und Megan begrüßt hatte, erklärte er ihnen nervös, dass sie zwar in einem Klub aufträten, der aber zu einem Hotel gehöre und somit gelegentlich auch sehr junge Gäste kämen. Die Liedtexte müssten also auf alle Fälle sauber sein.
    Finn meinte, darüber bräuchte er sich keine Sorgen zu machen.
    Am Ende des ersten Sets, in dem sie eine Mischung aus eigenen Stücken und bekannten Popsongs gespielt hatten, freute sich Finn, dass der Saal voll war und ein breites Lächeln Sam Tartans verkniffenes Gesicht erhellte.
    Allerdings war die Gästeschar etwas seltsam …
    Viele der ortsansässigen Wiccas – diejenigen, welche einen Anflug von Humor besaßen und andere kostümierte Gäste akzeptierten – hatten wohl beschlossen, jahreszeitgemäß gekleidet zu dieser Veranstaltung zu kommen; doch eigentlich trugen sie dasselbe wie immer – Schwarz.
    Schwarz war definitiv die Farbe dieses Abends.
    Gäste, die keine Wiccas waren und auch nicht kostümiert erschienen waren, trugen dennoch überwiegend Schwarz: schwarze Anzüge, schwarze Cocktailkleider, schwarze wehende Gewänder, schwarze Jeans und Pullover … Schwarz.
    Natürlich gab es auch fantasievolle Kostüme. Ein Frankenstein-Monster war mit Braut erschienen, beide höchst beeindruckend. Finn fand, sie hätten den ersten Preis für die beste Verkleidung verdient, der jeden Abend ausgeschrieben war. Aber auch eine andere Gruppe lenkte viele Blicke auf sich – vier Collegestudenten, die sich als Mitglieder der Rockgruppe Kiss kostümiert hatten. Sie waren herrlich geschminkt. Allerdings musste man fast befürchten, dass sich einer der jungen Männer in seinen hohen Stiefeln noch den Knöchel brechen würde.
    Ein paar junge Frauen hatten sich als Pink Ladies aus dem Musical Grease verkleidet, und es gab drei Elvis Presleys.
    Manche Leute hatten sich mit Masken als gehörnte Dämonen oder Gestalten aus bekannten Horrorfilmen ausstaffiert. Während Finn einen Coversong spielte, den er in- und auswendig kannte, schoss ihm plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass sich hinter diesen Masken jeder verbergen konnte, absolut jeder. Aber schließlich war das ja gerade der Reiz. In einer Verkleidung konnte man ein anderer sein. Man konnte jeden zum Tanzen auffordern, sich einfach zu einer Gruppe stellen und ihre Gespräche belauschen. Man konnte alles Mögliche tun – und dabei unerkannt bleiben.
    Er stimmte die Akkorde für einen alten Fleetwood-Mac-Song an und lauschte ganz bewusst Megans Stimme. Sie sang nicht nur gut, sie sang wundervoll. Ihr Stimmumfang war gigantisch, der Klang betörend. Nichts wirkte je gezwungen, Eleganz und Leichtigkeit schienen aus ihr nur so zu sprudeln. Auch er konnte eine Melodie ganz ordentlich halten, aber seine Stärke lag eher in den Arrangements; er beherrschte eine Reihe von Instrumenten und hatte ein ausgesprochenes Talent dafür, alles aufeinander abzustimmen. Aber Megan hatte eigentlich gar keine Ahnung, wie gut sie war. Sie war der Meinung, sie sei nur eine Erweiterung seiner Schöpfungen. Er war zwar weder so töricht noch so egoistisch, ihr das nicht immer wieder ausreden zu wollen, doch trotzdem respektierte sie bei der Arbeit stets seine Meinung.
    Ihre Stimme verklang langsam und absolut verführerisch; er spielte die letzten Akkorde und schloss dann glücklich die Augen, um sich kurz am Applaus zu ergötzen. Megan, die vor ihm stand, drehte sich mit einem erfreuten Lächeln zu ihm um; dann führte sie die Hand an die Lippen in einer Geste, mit der sie ihm bedeutete, dass sie sich etwas zu trinken besorgen wollte. Er nickte, und als sie fragend eine Braue hob, ob sie ihm auch etwas mitbringen sollte, nickte er abermals. Sie trat von der Bühne in die Menge, wo sie gleich von Menschen umringt wurde. Er senkte den Kopf, lächelte in sich hinein und griff zu seiner Akustikgitarre, um eine Saite zu wechseln.
    Als er sich mit der Gitarre an den Rand der Bühne setzte, wurde auch er sofort bedrängt – hauptsächlich von Monstern und Gästen, die eine Maske trugen oder bizarr geschminkt waren.

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