Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
Vom Netzwerk:
Die Leute waren durchweg nett und sagten ihm, wie sehr ihnen die Musik gefiel. Manche baten um ein paar langsamere Lieder, andere um Discosongs, ein paar wollten wissen, ob sie denn auch Songs aus der Big-Band-Ära in ihrem Repertoire hätten. Finn versicherte ihnen, dass sie sich Mühe geben würden, allen Wünschen gerecht zu werden.
    Megan war nicht sehr weit gekommen. Er sah sie unter einer der Dekorationen stehen, irgendeinem Monster mit einer schrecklichen Fratze und riesigen Fingern, die sich wie Zweige nach unten reckten, als wollten sie gleich angreifen.
    Und sie waren tatsächlich zum Angriff übergegangen. Megan war ihnen zu nahe gekommen, und die Finger des Monsters hatten sich in ihren Haaren verfangen. Sie verzog das Gesicht und versuchte, sich zu befreien.
    Finn wollte schon aufstehen, um ihr zur Hilfe zu eilen, doch das war wohl nicht nötig. Ein großer Bursche – oder auch ein kleiner, der sich als großer verkleidet hatte – war ihr behilflich. Er war fast so grotesk wie das Wesen, in dem Megan sich verfangen hatte. Sein Kostüm bestand aus einer braunen Kutte mit Kapuze, dazu eine Teufelsmaske mit scharlachroten Hörnern, einer riesigen, krummen Nase und obszön wulstigen Lippen. Doch seine Finger waren ziemlich geschickt, trotz der blutroten Latexhandschuhe, in denen sie steckten. Er unterhielt sich mit Megan, und sie lachte, während er sie befreite.
    Obwohl Megan ganz offenkundig keinen Ritter in schimmernder Wehr brauchte, kostete es Finn einige Mühe, nicht zu ihr zu eilen. Eine seltsame Eifersucht befiel ihn und gleichzeitig auch unbändige Wut. Er biss die Zähne zusammen und merkte, dass er sich fast an den Gitarrensaiten schnitt, weil er sie so fest umklammert hielt. Was ist nur mit dir los?, fragte er sich kopfschüttelnd. Megan war unter einer Dekoration durchgegangen, sie hatte sich darin verfangen, jemand, der zufällig vorbeigekommen war, hatte ihr freundlicherweise geholfen. Und dennoch …
    Etwas raste durch seinen ganzen Körper. Zorn, Eifersucht … Aber das war noch nicht alles. Die beiden Regungen wurden durchbohrt von einem ebenso plötzlichen wie lächerlichen Blitz eiskalter, nackter Angst. Einer kaum auszuhaltenden Beklommenheit.
    Er mahnte sich zur Vernunft.
    Erst war er eifersüchtig geworden, weil Megan sich mit einem alten Schulfreund unterhalten hatte, und jetzt versetzte jemand, der zufällig vorbeigekommen war und ihr aus der Klemme geholfen hatte, sein Gemüt in höchsten Aufruhr. Lächerlich.
    »Finn? Finn Douglas?«
    Er drehte sich um. Eine ältere Frau mit strahlend blauen Augen und einem freundlichen Gesicht lächelte ihn an. Sie war nicht verkleidet und trug auch keinen Wicca-Umhang. Sie war nicht einmal schwarz gekleidet, sondern in ein hübsches, funkelndes Silberkleid und einen dazu passenden Schal.
    »Ja?«
    »Ich bin Martha. Martha Scott. Tante Martha für Sie, junger Mann!«
    »Ach so. Hallo!«, meinte Finn. »Wie geht es Ihnen? Wie schön, Sie hier zu sehen. Ich weiß, wie viel Sie Megan bedeuten. Wir wollten eigentlich schon heute bei Ihnen vorbeischauen, aber …«
    »Ja, ich habe es schon gehört. Die arme Meg, wie schade, dass sie das Armband verloren hat. Eigentlich hängt ihr Herz nicht an solchen Dingen, aber als ihr Vater ihr dieses Schmuckstück schenkte, hat sie sich wahnsinnig gefreut. Er hat ihr viele alte Geschichten aus Irland erzählt, und sie hing sehr an dem Armband. Na ja, vielleicht taucht es ja noch auf. Wie auch immer – ich wollte nur rasch Hallo sagen. Ich fürchte, das Nachtleben ist ein bisschen viel für eine alte Dame wie mich. Ich habe mir euer erstes Set angehört, wundervoll, wirklich wundervoll. Aber jetzt mache ich mich lieber auf den Heimweg. Geben Sie mir ein Küsschen, und dann lernen wir uns später ein bisschen besser kennen.«
    Finn trat zu ihr, er war ziemlich beeindruckt von der alten Dame. Sie war freimütig, bodenständig und gleichzeitig charmant mit ihren funkelnden blauen Augen. Sein Unbehagen war wie weggeblasen.
    Er küsste sie auf die Wange. »Wir kommen dann morgen bei Ihnen vorbei.«
    »Ja, das müssen Sie unbedingt, junger Mann. Sie haben unser kleines Singvögelchen geheiratet, jetzt müssen Sie auch ihre Familie ertragen. Ich bin übrigens auch eine wundervolle Geschichtenerzählerin und darüber hinaus eine ausgezeichnete Köchin. Wir sehen uns dann bei mir zum Mittagessen, abgemacht?«
    »Gerne. Allerdings wird es hier wohl ziemlich spät werden.«
    »Na, dann sagen wir so um zwei?«
    »Perfekt,

Weitere Kostenlose Bücher