Das Erwachen
anderen, den Männern und Frauen, die sich inzwischen in unterschiedlichen Phasen der Vereinigung befanden. Doch als er vorbeiging, folgten sie ihm, flüsterten ihm bewundernde Worte zu, baten um eine Antwort, einen Befehl. Sie gesellten sich an seine Seite, berührten ihn, rieben ihn mit Öl ein, während er weiterlief.
Er war verlegen, denn sie fuhren mit ihren Fingern ungerührt über seinen Rücken, seine Arme, seine Brust, sein Hinterteil und streichelten dann auch noch seinen Penis, rieben auch diesen mit Öl ein.
Und bei alldem hörte er ständig Worte, leise, aber auch schrille Worte, ein Teil des Windes, ein Teil der Gesänge.
Worauf du gewartet hast.
Jahrhundertelang.
Der Hunger wurde stärker und stärker.
Sie wird da sein.
Sie folgten ihm, sie sangen, sie warfen Blumen, sie flüsterten ihm ins Ohr, sagten ihm, was er tun und wie er seinen Preis erobern sollte. Und endlich kam er, umringt von Dämonen und Menschen, die ihn streichelten, bei dem Altar in der Mitte des Waldes an.
Und dort wartete sie auf ihn.
Die Frau. Er wusste es, auch wenn er sie nicht kannte. Sie war gefesselt, doch bestimmt wusste sie, dass sie das Opfer war, bestimmt gab sie sich der Ekstase und der Macht hin, die auf sie gewartet hatte, all die Jahre. Er trat näher.
Sie war in blauschwarze Schleier gehüllt, doch an manchen Stellen lag ihr Fleisch bloß und reizte seine Sinne. Das Tuch war über ihre Körpermitte drapiert, ließ jedoch ihre Brüste frei. Es reichte ihr bis zu den Knien, doch hier und da gab es auch einen Blick auf ihre Schenkel frei, die im blauen Licht aufreizend schimmerten.
Das Flüstern wurde immer drängender, forderte ihn auf, näher zu treten.
Er kam zu dem Altar.
Das Tuch bedeckte ihr Gesicht. Es spielte keine Rolle. Sein Puls pochte, seine Muskeln spannten und entspannten sich, die Bewegung erfüllte ihn mit Kraft, mit Spannung. Er wusste, was er zu tun hatte, er kannte das Gefühl von Gewalt und Kraft.
Ein Schrei erschallte, er war auf sie gestiegen. Nackte Nymphen streichelten seinen Rücken, drängten ihn weiter. Er war der König auf dieser seltsamen Lichtung, er war erfüllt von Macht und Kraft, der Kraft der Natur, des Windes, des Bösen …
Er packte die Frau mit rauen Händen um die Taille, starrte sie lüstern an; brutal drang er in sie ein und umfasste ihre Brüste.
Er sah sich dabei, wie er sie grob packte. Seine Arme waren dicht behaart, seine Finger hatten sich verformt, sie wirkten wie Klauen.
Sein Kopf …
Wenn er an seinen Kopf griff, würde er die Hörner spüren, die ihm aus den Schläfen gewachsen waren. Er würde wissen, dass er alles getan hatte, was falsch, ihm jedoch befohlen worden war; und dass er sich verwandelt hatte in einen …
Jäh wachte er auf und rang nach Luft. Vor Entsetzen blieb ihm fast das Herz stehen.
Er atmete tief durch.
Sein Herz hämmerte.
Einen Moment lang war ihm der Traum so real erschienen, dass er Angst hatte, sich im Zimmer umzusehen. Doch er zwang sich dazu.
Es war noch dunkel, dämmerte jedoch bereits. Sein Blick wanderte zur Balkontür. Idiotischerweise hatten sie sie offen gelassen. Es war eiskalt im Zimmer.
Trotzdem war er schweißbedeckt.
Megan!
Angst um seine Frau stieg in ihm auf.
Aber sie war da. Sie hatte sich von ihm abgewandt und ins Kissen gekuschelt, ihr langes blondes Haar war darauf ausgebreitet. Er wollte sie berühren, zuckte dann aber zurück. Ihr Haar war feucht, wie so oft, wenn sie sich geliebt hatten.
Er schob die Decke beiseite, stand auf und schlüpfte in den Morgenmantel. Behutsam trat er auf die andere Seite des Bettes. Noch immer fürchtete er sich fast davor, Megan zu berühren. Aber sie schlief tief und fest, atmete langsam und gleichmäßig. Er betrachtete ihr Gesicht, ihr wundervolles Gesicht. Und er hatte Angst.
Lächerlich. Er hatte nur einen absurden Traum gehabt.
Wie sie.
Dieser Ort war schuld, all das Gerede über Hexen.
Hexen. Wiccas. Aber es waren gute Menschen, das versicherte ihm Megan doch ständig. Sie taten anderen nichts zuleide, weil alles Böse dreifach auf sie zurückfallen würde.
Offenbar drehte er durch. Er hatte so große Angst, Megan zu verlieren, dass er seinen Verstand verlor.
Er mahnte sich eisern zur Vernunft und trat auf den Balkon hinaus. Die Sonne kündigte sich an, doch noch war die Luft sehr kühl. Trotzdem war er froh, zitternd dort draußen zu stehen.
Die Bäume raschelten leise.
Der Mond schien wohlwollend auf die Erde.
Der neue Tag würde bestimmt herrlich
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