Das Erwachen
verteilte meine Schamhaare, und ihre Zunge …«
Carmen schluckte und senkte den Kopf, um nicht Sarahs Augen zu begegnen.
»Ich war im Himmel und hörte Engelchöre und sah Sterne auf mich zuschießen und mich durchbohren. Ich wurde zu einem Stern, der sich im Universum verlor, ich wurde zu einem Engel, der mit leichten Flügelschwingen in eine neue Welt eintauchte. Vielleicht klingt es seltsam, aber ich hätte sterben können vor Glück und Erfüllung. Und weil ich nicht gestorben bin, habe ich getobt und geschrien. So laut, dass man es überall gehört haben musste. Jetzt, wo ich davon spreche, höre ich mich wieder.«
Carmen atmete tief ein. »Was ich bekommen hatte, wollte ich zurückgeben. Und da ich wusste, was ich empfand, wenn ein Mann in mich eindrang, konnte ich mir auch vorstellen, was Cynthia dabei empfand, als meine Finger in die Wärme ihres Körpers krochen.«
Carmen machte eine Pause, lächelte verklärt und warf einen flüchtigen Blick zu Sarah. Dann schaute sie auf ihr Glas und betrachtete die braungelbe Flüssigkeit. Leicht schwenkte sie das Glas und beobachtete, wie sich am Glasrand feine Schlieren bildeten.
»Durch Männer wusste ich, wie ich auf bestimmte Arten der Stimulierung reagierte. Aber was ich bisher kannte und erfahren hatte, war nichts gegenüber dem, was Cynthia mir in dieser Nacht bereitete. Es war so … fremd und so … aufregend. Aufputschend und erregend. Mein Körper war mit einer ungeheuren und unbekannten Spannung aufgeladen und wartete darauf, in einem Funkenregen zu platzen. Mir war, als bestünde ich aus einem einzigen G-Punkt. Wo Cynthia mich auch anfasste und berührte, ich zerfloss vor Gefühlen und sprühte vor Eruptionen. An Schlaf war selbstverständlich nicht zu denken.
In mir wuchs der Wunsch, die Zeit still stehen zu lassen und meine Lust permanent zu genießen. Unersättlich zu sein und sie bis zuletzt zu genießen. Und das Bild, wir zwei Frauen nebeneinander im Bett mit diesem wunderbaren Sex, bei dem beide Seiten das Bestreben hatten, mehr zu geben als zu nehmen, sehe ich vor mir, als wäre es gestern gewesen.«
Carmen schloss die Augen und strich sich mit einer Hand über die Oberschenkel. Ihre Hand wanderte weiter nach oben und blieb kurz unter dem Gürtel liegen.
Sie öffnete die Augen und sprach mit belegter Stimme weiter: »Was danach kam, mit Männern meine ich, besonders mit meinem Mann, war deshalb so unbefriedigend, weil an mich ständig die Erwartung herangetragen wurde, ich habe den Wunsch meines Partners zu erfüllen. Diene deinem Herrn. Verschaffe ihm einen Orgasmus, vielleicht fällt auch noch etwas für dich ab. Meist war das jedoch nicht der Fall. Und dann liegst du aufgewühlt neben einem müden Kloß und träumst und träumst und weißt, deine Träume werden nie in Erfüllung gehen.«
Carmen wandte sich ab und schwieg.
»Wie ist eure Beziehung weitergegangen?«
» Cynthia habe ich danach nur noch einmal gesehen. Am nächsten Tag beim Auszug aus dem Studentenwohnheim. Heute ist sie Staatssekretärin in Hessen, verheiratet und hat zwei Kinder. Aber glücklich ist sie wohl genauso wenig wie ich.«
Carmen stand auf und ging im Wohnzimmer umher. Nach einer Weile blieb sie vor dem Bücherregal stehen und las die Titel. Wenig später wanderte sie weiter.
»Du fragst dich sicherlich, Sarah, warum ich dir das erzählt habe. Ich dich in meine Geheimnisse, in meine intimen, überaus privaten Geheimnisse einweihe.« Ohne eine Antwort abzuwarten, sprach sie weiter: »Zum einen, weil ich dir vertraue. Bisher habe ich noch mit niemandem darüber gesprochen. Und zum anderen, um zwischen uns ein … ein Gleichgewicht herzustellen.«
»Wie soll ich das verstehen?«, fragte Sarah mit belegter Stimme, die von Carmens Offenheit betroffen und zugleich berührt war. »Was verstehst du unter Gleichgewicht?«
Carmen schaute auf sie hinunter. »Von dir habe ich so viele private und intime Dinge erfahren, anfangs zwar in meiner Funktion als Ärztin, später jedoch auch als deine Freundin, dass ich dachte, du hättest auch ein Recht auf den Inhalt eines meiner Schatzkästchen. Mehr nicht.«
»Trauerst du Cynthia nach? Und den Gefühlen, die du damals empfunden hast?«
»Ja.« Carmen nickte. »Ja, ich trauere, weniger um Cynthia als um die Gefühle. Aber ich möchte sie nicht mit einer Frau erleben. Ich bin keine Lesbe. Mit einem Mann wird es jedoch nie dazu kommen. Deshalb trauere ich ihnen nach.«
Carmen war am kommenden Tag unbehaglich zumute, weil sie
Weitere Kostenlose Bücher