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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Ich weiß gar nichts aus der Jugendzeit meines Papas. Nur über geschäftliche Dinge hat er mich informiert. Und das war immer so langweilig. Aber das habe ich dir schon erzählt. Du weißt schon so viel von mir, und ich noch nichts über dich.« Henry kicherte. »Eine Geschichte kennst du bestimmt noch nicht. Oder kennst du sie doch? Ach so, du weißt nicht, welche ich erzählen will? Wenn du ein Engel bist, dann kannst du meine Gedanken lesen. Zugegeben, das ist sehr mühsam. Streng dich bitte an. Engel sollen auch mal etwas arbeiten und nicht nur immer da oben rumfliegen.« Und nach einer kleinen Pause sprach Henry weiter: »Also gut, wenn du mich so darum bittest. Hier also meine Geschichte.« Henry räusperte sich. »Als Kind habe ich oft in einer kleinen Kammer neben meinem Zimmer gehockt. Was heißt hier kleine Kammer? Man hatte einfach die Dachschräge senkrecht abgemauert, um gerade Wände zu bekommen, und ich habe stundenlang in dieser Schräge gehockt. Da war es gemütlich und klein, niemand konnte zu mir. Und niemand konnte sich von hinten anschleichen und mich erschrecken oder angreifen. Da habe ich mich richtig wohl gefühlt. Allein mit meinen Gedanken, und niemand hatte Zutritt. Nur ich und meine Gedanken. O ja, es ist schön kuschelig, wenn man in einem kleinen Raum sitzt und überlegt. Dann hast du das Gefühl, du könntest dich viel besser konzentrieren, weil deine Gedanken auch nicht flüchten können und in diesem Raum bleiben müssen.« Erneut kicherte Henry.
    »Ich habe da so gesessen und überlegt. Warum ich später einmal Autos verkaufen sollte und so. Oder dass ich ein anständiges Mädchen heiraten sollte, wie Mami meinte. Ein sauberes und anständiges Mädchen aus gutem Hause. Und Geld, so meint Mami, gehöre nun mal dazu. Anständige Familien hätten immer Geld. Nur die Unanständigen hätten keines. Wie die im Hasenberg, die Hilde aus dem Kindergarten. Aber ich kenne dort auch einige, die anständig sind, obwohl sie kein Geld haben. Aber davon will Mami nie etwas wissen. Ich sitze da und denke also. Plötzlich kamen sie, Mami und Papa. In mein Zimmer kamen sie, und zwar auf Zehenspitzen. Sie schlichen und schauten nach, wo ich sein könnte. Sie riefen sogar nach mir. Und dann habe ich es gesehen. Mami hat sich aufs Bett fallen lassen, Papa ist über sie und hat ihr die Kleider vom Leib gerissen. Und dann haben sie sich geküsst und geliebt. Dass sie sich geliebt haben, wusste ich damals noch nicht so recht. Erst später bin ich darauf gekommen. Durch Walli. Plötzlich fing Mami an zu stöhnen, und Papa auch. Und beide wurden lauter. Zum Schluss schrie Mami, und da habe ich mich so erschrocken, dass ich gegen die Wand geklopft habe. Mami sollte nicht schreien. Sie sollte keine Schmerzen haben. Papa kam mich suchen und war sehr böse auf mich. An den Haaren hat er mich gezogen und mich geschlagen. Und Mami hat immer wieder gesagt: schau mich nicht an, schau mich nicht an. Mach die Augen zu und stell dich in die Ecke, Gesicht zur Wand. Los, schnell. Dabei hat sie sich die Bluse vor den nackten Oberkörper gehalten. Ich wusste gar nicht, dass sie am Bauch zwei dicke Speckrollen hatte. Aber ich konnte sowieso nicht richtig sehen, weil ich am Weinen war. Und immer wieder hat Papa mich an den Haaren gezogen und mich geschlagen. Nach zehn Minuten kam Mama zu mir, angezogen und geschminkt wie sonst auch. Kein Härchen lag quer. Sie sah richtig schön aus. Kein Speckröllchen zu sehen. Schlank und rank war sie. Und dann hat sie mich auch noch geschlagen. Was ich doch für ein ungezogener Bengel sei, der herumspioniere und andere Leute beobachte. Die eigenen Eltern beobachte! Aber ich sei doch in meinem Zimmer gewesen, habe ich geantwortet. Weißt du was dir ist, hat mein Papa mich gefragt. Mache mal die Augen zu. Was du dann siehst, ist dir. Und dann wurde ich bestraft. Ich musste mich unter die Dusche stellen, und Papa hat abwechselnd immer ganz heiß und ganz kalt gemacht.
    Wie viel sind zehn Hände voll, hat er mich gefragt. Fünfzig, habe ich geantwortet. Gut, du kriegst heute fünfzig. Und für jedes Mal, wenn du schreist oder stöhnst, kommen fünf hinzu. Ein von Rönstedt stöhnt und schreit nicht, hast du das verstanden? Und wie ich verstanden hatte. Fünfzig mal hat Papa das Wasser heiß und kalt gemacht. Und ich habe nicht geschrien. Und ich habe nicht gestöhnt. Obwohl mein Rücken wie Feuer brannte. Als er fertig war, habe ich zu ihm gesagt, das waren aber erst acht Hände. So, hat er

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