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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Burg und bog bei der nächsten Möglichkeit rechts ab.
    Per Funk öffnete sie wenig später das Tor der Einfahrt, schloss es hinter sich wieder und fuhr langsam auf das Haus zu. Vor der Eingangstreppe hielt sie an. Die Hunde kamen auf sie zugestürmt, schnupperten am Kofferraum, stupsten sie mit der Schnauze an und forderten ein Leckerli. Sie bekamen es.
    »Ich habe auf dich gewartet.«
    Henry stand an der Treppe, perfekt gekleidet mit dunkelblauem Anzug und Weste, die Schuhe poliert, die Krawatte akkurat geknotet. Gut sah er aus mit seinem hellblonden, widerspenstigen Haar, dem kräftigen Gesicht mit der geraden Nase und dem breiten Mund, der aber im Vergleich zum wuchtigen Kinn gerade zierlich wirkte. Dazu passte dieses siegessichere Lächeln mit dem Muskelspiel unter der Wangenhaut und den Grübchen in den Mundwinkeln, das, mit Augen voller Übermut, sie schon oft hatte schwach werden lassen. Und imponierend war Henry wegen seiner Körpergröße und seines Körperbaus. Beides hätte ihm sofort einen Werbevertrag für Körperlotion oder Duschgel eingebracht. Oder für ein bestimmtes klebriges Erfrischungsgetränk, oder für Jeans.
    »Ich habe auf dich gewartet.« Sie hörte den tadelnden Unterton.
    »Tut mit leid, ging nicht schneller.« Sie öffnete den Kofferraum und schnappte sich die Einkaufstüte.
    »Mehr als zehntausend Kilometer bin ich geflogen und wer ist nicht pünktlich? Meine Frau, die mal kurz in der Stadt einkaufen war.«
    Henry kam lächelnd die wenigen Stufen der Treppe hinunter, trat auf Sarah zu, umarmte sie und wollte ihr einen Kuss auf den Mund geben. Sie drehte sich zur Seite.
    »Was für ein Empfang«, seufzte er. »Eine Woche weg von zu Hause, und die Wange ist gerade mal gut genug zur Begrüßung. Wie weit muss ich denn noch fliegen? Wie lange fort bleiben?«
    Sie antwortete nicht und stieg an ihm vorbei die Stufen hoch. In der Küche stellte sie die Tüte neben den Kühlschrank, anschließend ging sie ins Esszimmer. Henry war ihr gefolgt.
    »Und, ist alles in Ordnung?« Sie sah ihn von der Seite an.
    Selbstgefällig antwortete er: »Ja, Korea war sehr erfolgreich.«
    »Ich meine hier bei uns. Ist hier alles in Ordnung?«
    Er schaute sich um und nickte. »So weit ich das beurteilen kann, ja.« »Das freut mich. Soll ich dir einen Kaffee machen?«
    »Lieber Mineralwasser. Allerdings hast du die Haustür nur einmal verschlossen. Den Schlüssel immer zweimal umdrehen und die Fenster nie auf Kipp stehen lassen, wenn du das Haus verlässt. Merke dir das bitte.«
    »Die Fenster waren zu«, widersprach sie. »Noch etwas?«
    Und nach wenigen Sekunden wollte er wissen: »Sag mal, was hast du denn für einen seltsamen geschäftsmäßigen Ton drauf?«
    Sarah antwortete nicht und gab ihm ein Glas mit Mineralwasser. Sie selbst trank einen Cognac.
    »Alkohol? Schon so früh?«
    Sie sah ihn an und trank.
    »Du kommst mir …, mir fremd vor«, meinte er nach einer Weile und stellte sich neben sie. Intensiv betrachtete er ihr Gesicht.
    »Bin ich alt geworden? Zu alt geworden?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Oder kann man im Gesicht meinen Gefühlszustand ablesen? Das, was ich denke und fühle? All meine Pläne, meine Vorstellungen und meine intimsten, hinterhältigsten Gedanken?«
    Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und drehte es gegen das Tageslicht.
    »Es ist der Lippenstift. Ich habe diesen Farbton noch nie an dir gesehen.«
    »Himbeere. Hier, meine Fingernägel sind genauso.« Sie streckte ihm die Hände hin.
    »Himbeere gefällt mir nicht. Du weißt doch, ich …«
    »… ja, deinen Geschmack kenne ich. Blutrot-violett, eine tolle Mischung. Oder Brombeere. Ein Mund, wie ihn die Geishas haben. Und drum herum nur Leere, weiße, nichtssagende Leere und kein Lächeln. Als du vor einem Jahr aus Japan zurückkamst, gefiel dir diese Farbe ausgezeichnet.« Mit einem süffisanten Unterton fügte sie hinzu: »Verbindet sich mit ihr vielleicht eine angenehme Erinnerung? Eine erotische Erinnerung?«
    Henry ließ ihr Gericht los. »Wie meinst du das?« »Henry, für dumm habe ich dich noch nie gehalten. Du hast doch meine Frage genau verstanden.«
    Henry wanderte im Wohnzimmer umher. Vor dem großen Schrank aus poliertem Mahagoni und den mit Intarsien umrahmten Glasscheiben blieb er stehen. Schräg betrachtete er sich das Glas, es wies keine Spuren und Fingerabdrücke auf. Genauso wenig wie das geschliffen wirkende, dunkle Holz. Und der Schlüssel mit dem flachen Griffoval stand genau senkrecht.
    »In letzter

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