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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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wir schon haben? Aber angenehm ist es allemal, oder?«
    Auf dem Weg zum Haus kam ihnen Mary entgegen.
    »Morgen früh Milch, vier Brötchen und Eier, Frau von Rönstedt. Ist das alles?«
    »Ja, das ist alles.«
    Bevor Sarah die Haushälterin vorstellen konnte, war sie schon unterwegs zum Tor.
    »Ein etwas spätes Mädchen«, meinte Carmen. »Mode und Kosmetika scheinen für sie Fremdworte zu sein. Und einen Friseur hat sie wohl auch nicht.«
    »Aber sie ist tüchtig«, nahm Sarah ihre Perle in Schutz.
    Auf dem Weg zum Haus bat Carmen: »Zeige mir doch mal euren Besitz. Ich wollte immer schon wissen, wie die oberen zehntausend wohnen.«
    Noch bevor Sarah unwillig reagieren konnte, knuffte Carmen sie in die Seite. »War nur ein Scherz.«
    Zuerst gingen sie zum Gästehaus mit dem Schwimmbad. Das Gebäude war aus den gleichen Schiefersteinen gemauert wie das Haupthaus. Beides fügte sich homogen in die Landschaft. Eine neuere, modernere Ausgabe der Burg von nebenan, wie Carmen meinte.
    »Wer von euch wohnt denn im Augenblick hier?«, wollte Carmen wissen.
    »Keiner von uns. In zwei Wochen zieht der Gärtner ein. Der bleibt dann über den ganzen Sommer und passt auf alles auf.«
    »So etwas habe ich mir schon gedacht. Ein solcher Besitz muss auch bewirtschaftet werden. Und bringt viele Verpflichtungen mit sich.«
    Sie betraten das Schwimmbad. Es war sehr warm und sehr feucht. Carmen staunte über das große Becken und sie wertvollen Fliesen mit den Einlegearbeiten.
    »Gehst du oft schwimmen?«
    »Zweimal die Woche.«
    »Warst du heute schon?« »Nein.«
    »Komm, dann lade mich ein.«
    Spontan zogen sich die beiden Frauen aus, jede beobachtete aus den Augenwinkeln, was die andere wohl an körperlichen Vorzügen anzubieten hatte und Carmen gab neidlos zu, dass sie unterlegen war.
    »Du hast eine tolle Figur, Sarah. Kein Wunder, dass dein Mann …, dass vielleicht auch andere Männer..« Sie vollendete den Satz nicht.
    »Ob ich in zehn Jahren noch mit dir mithalten kann, das bezweifle ich«, gab Sarah das Kompliment an die Ältere zurück.
    »Ja, es müssten einige Kilogramm runter. Genau hier.« Carmen zwickte sich am Bauch und im Hüftbereich. »Aber nicht hier.« Sie deutete auf ihren Busen. »Leider nimmst du immer an den falschen Stellen ab. Mit drei oder vier Kilogramm weniger Körpergewicht ist mein Busen nur halb so groß. Und Intelligenz hat gegen fehlenden Busen keine Chance. Auch nicht in meinem Alter. Vielleicht in zehn Jahren, gemeinsam mit den so genannten inneren Werten, aber noch nicht mit vierzig.«
    Sie duschten, sprangen in das warme Wasser und schwammen einige Runden. Carmen war eine vorzügliche Schwimmerin, machte elegante Wenden und zog etliche Bahnen in einem Tempo, dem Sarah bei weitem nicht folgen konnte.
    »Früher im Schwimmverein gewesen«, gestand sie prustend. »Außerdem gleiten leicht Mollige besser durchs Wasser als so Schlanke wie du. Wegen der geringeren Wirbelbildung. Oder hast du schon mal einen knochigen Delphin gesehen?«
    Sarah lachte und bespritzte Carmen mit Wasser.
    Wenig später saßen sie, eingehüllt in Handtüchern, auf einer Steinbank, die von einer darunter verlaufenden Heizung angenehm temperiert wurde.
    »Wenn ich so etwas hätte, ich würde mehrmals täglich schwimmen gehen«, schwärmte Carmen.
    »Man gewöhnt sich an alles.«
    »Genau das ist es. Hast du Anzeige erstattet wegen der Vergewaltigung?«
    Sarah schüttelte den Kopf und schaute auf ihre Hände.
    »Hast du dich auch schon an so etwas gewöhnt?«
    »Rede jetzt keinen Unsinn, Carmen. Du und ich, wir wissen, dass er mich vergewaltigt hat. Aber vor Gericht, da hätte ich es zu beweisen.«
    »Natürlich stimmt das. Allerdings gibt es eine Zeitspanne vor dem Gerichtstermin. Und genau diese Zeitspanne hätte ihm sehr zugesetzt. Eine Vergewaltigung kannst du nicht geheim halten.«
    Sarah drehte sich zu Carmen und neigte leicht den Kopf, um ihr ins Gesicht schauen zu können. »Du willst, dass ich Henry anzeige, weil du versäumt hast, deinen Mann anzuzeigen. Ist es nicht so?«
    Carmen gab dies zögernd zu. »Auch in meinem Fall waren es im juristischen Sinne womöglich keine Vergewaltigungen. Wenn du einen Richter hast. Bei einer Richterin könnte es schon anders aussehen. Hinzu kommt, dass Henry und mein Ex-Mann wahrscheinlich eines gemeinsam haben: Sie sind dem Sex sehr zugetan«, formulierte es Carmen vorsichtig. »Und wenn Kristian, meine verschwundene Hälfte, erregt war, dann konnte ihn nichts mehr aufhalten.

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