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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Achterbusch nicht fähig. Mit Schulterklopfen untermalte er seine Worte. Aus Verlegenheit bestellt er noch zwei Bier. Heute vertrug Henry nicht so viel. Auf diese Weise konnte er den Abend auch schneller über die Runde bringen.
    »Du hast gut reden. Alle haben gut reden, die nicht betroffen sind. Wer weiß schon, was in einem vorgeht? Und was wäre, wenn deine Gille dich sitzen lässt?«
    Achterbusch grinste. »Schön wäre das. Sehr schön. Und ich würde nicht so viele Anstrengungen machen wie du, sie wieder einzufangen.«
    »Hast du heute Radio gehört? RPR?«
    Achterbusch tat so, als überlege er. »Nein.«
    »Die haben einen Aufruf gebracht, Sarah möge sich bitte melden. Jeden Tag bringen die Aufrufe. Auch für Tiere, die fortgelaufen sind. Wie sollen die sich denn melden?«
    »Es wird schon wieder.« Achterbusch legte Henry nun eine Hand auf den Unterarm.
    »Aua.«
    »Was ist denn?«
    »Ich habe mich verletzt. Vor einer Woche. Die Wunde eitert.«
    »Und wobei?«
    »Jetzt lache bitte nicht. Beim Holzhacken ist mir ein großer Splitter in den Unterarm gedrungen.«
    »Beim Holzhacken?« Achterbusch sah ihn ungläubig an. »Du hackst Holz?« Er fragte dass so erstaunt, als wären dafür eher die kleinen grünen Männchen verantwortlich.
    »Als Junge schon habe ich viel Holz gehackt. Wir hatten einen großen Kamin. Und viele Öfen. Auch in der Werkstatt. Aus Papas Wald stammte das Holz. Buche und Eiche, auch etwas Birke. Aber meist Buche und Eiche. Es kam aus Papas Wald. Er hatte einen großen Wald. Immer im Herbst und Winter wurde Holz gemacht.« Und dann ohne Übergang: »Nun, es war der letzte Abend, an dem Sarah und ich vor dem Kamin saßen. Am anderen Tag, als ich nach Hause kam, da war sie verschwunden.« Henry seufzte.
    Achterbusch sah Henry von der Seite an. So kannte er seinen Geschäftsfreund nicht. »Mary meint, du hättest erst nach drei Tagen auf Sarahs Verschwinden reagiert.«
    »Wieso erdreistest du dich, Mary auszuhorchen?«, fragte Henry angriffslustig und voll konzentriert. Er war wieder fast der Alte. »Was willst du damit andeuten, erst nach drei Tagen reagiert?«
    »Och nichts. Nur dass sie schon zwei oder drei Tage verschwunden gewesen sein soll, bevor du etwas unternommen hast.«
    »Spionierst du hinter mir her?« Henry umfasste Achterbuschs Schulter, so dass dieser vor Schmerz das Gesicht verzog.
    »Idiot. Ich war doch in Urlaub. Wie soll ich dir …«
    »Schon gut.« Henry lockerte den Griff. »Und von wem weißt du das?«
    »Von wem denn? Von Mary selbstverständlich.«
    Für alle offensichtlich, stürzte sich Henry die nächsten Tage in die Arbeit. Immer war er zur normalen Zeit im Geschäft erreichbar, und abends traf er sich noch mit den Architekten, um die Planung des neuen Autohauses zu besprechen. Die Planung machte gute Fortschritte, das Gebäude gewann an Konturen, ein Modell wurde sogar erstellt, aber Henry konnte sich nicht so recht freuen.
    Manchmal überraschten ihn Mitarbeiter, wie er in seinem Chefzimmer saß und vor sich hinstarrte. Und bemerkte er die Eintretenden, dann raunzte er sie an, weshalb sie nicht geklopft hätten. Das hätten sie, versicherten die Mitarbeiter, aber er habe es wohl überhört. Obwohl Henry dies vehement bestritt, war in der Firma längst bekannt, dass er zuweilen stundenlang nichts tat, außer grübeln und starren und starren und grübeln.
    Henrys Laune und seine Verfassung besserten sich etwas, als die koreanischen Geschäftsleute von der Europaniederlassung aus Luxemburg zu einer Stippvisite nach Saarburg anreisten. Die Asiaten waren äußerst angetan von dem romantischen Städtchen, und Henry hatte alle Mühe, sie vom Wasserfall und der engen Altstadt wegzulotsen, wo sie ein Foto nach dem anderen machten, um ihnen das neue Projekt an Ort und Stelle zu präsentieren. Einer sagte immer wieder auf Englisch, hier in Saarburg sei es schöner als in Rothenburg up the Tower. Er meinte wohl den Fluss Tauber.
    Henry wusste, was er seinem Partner schuldig war und sprach sehr engagiert von der Zukunft und von dem neuen Standort. Wer konnte es ihm verdenken, dass er auch ein wenig an die vierzig Prozent Baukostenzuschuss dachte, die sich nach dem Saarburger Modell in den kommenden Monaten auf einem seiner Konten wiederfinden würden?
    Und als er auch noch an diesem sonnigen Tag mit den Koreanern einen Biergarten aufsuchte, der, umrahmt von hohen Bäumen, einen phantastischen Blick auf die Burg zuließ, da hatte er gewonnen. Nun fotografierten sie die Burg.

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