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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Ehemann. Alles fand Sarah abstoßend, auch den makellosen Körper von Henry. Übersät mit Geschwüren kam er ihr vor, stinkend und verkommen und verlaust. Mit dickem Bauch und Buckel wie der Glöckner von Notre Dame. Und sein Atem roch auf übelste Weise. Wegen der faulen Zähne und der vielen kleinen Tiere, sie sich in seinem Mund tummelten.
    »Na, mein Schatz, wie gefällt dir denn die neue Situation? Du nebenan in der Kammer und ich hier?«
    Sarah, alles an und in ihr war eine Wunde, hatte sich zur Seite gedreht und antwortete nicht.
    »Und deine Freunde von der Russenmafia, mit denen du mir irgendwann mal gedroht hast und die mir für viertausend Euro ein Ohr abschneiden würden, die können dir auch nicht helfen.« Henry kicherte. »Wie willst du ihnen eine Nachricht zukommen lassen?« Diese Unmöglichkeit amüsierte ihn.
    Sarah antwortete nicht, denn Henry konnte ja nicht wissen, dass sie seinerzeit nur geblufft hatte. Leider nur geblufft hatte.
    »Ich kann mit dir tun und machen, was ich will. Niemand wird dir helfen, mein Schatz.« Erneut kicherte er. »Du allein kannst die Prozedur beenden. Es liegt in deiner Hand, mein Schatz. Aber zuerst musst du dich bewähren.«
    »Was muss ich tun?«, fragte sie mit einer Stimme, die ohne Kraft war. Sie hatte die Ausweglosigkeit ihrer Lage erkannt.
    »Mit mir eine normale Ehe führen, vielleicht etwas besser als die anderen, und für Kinder sorgen.« Henry kicherte. »Was heißt sorgen, dafür sorgen tue ich. Du musst sie nur noch bekommen. Eine schöne Art und Weise der Arbeitsteilung, findest du nicht auch?«
    »Und was ist, wenn ich keine bekomme?«
    »O, jede Frau bekommt Kinder.«
    »Es soll auch Männer geben, die keine zeugen können.«
    »Das kann man doch von mir wohl nicht behaupten, oder?« Stolz wölbte Henry seine Brust nach vorn. Schon imposant, dieser Anblick. Früher flog Sarah darauf. Aber nun war sie voller giftgrüner Blasen und Eiterschären und stank furchterregend und Läuse nisteten zwischen den Haaren.
    »Wie, bist du schon Vater?«
    »Noch nicht.«
    »Na siehst du.«
    »Aber du warst zweimal schwanger«, warf Henry ein. »Es geht doch.«
    »Wer sagt denn, dass es von dir war?«
    Sarahs Ritt mit Henrys Psyche endete mit einem Desaster. Sie legte es an diesem Abend darauf an, ihn zu provozieren, und das gelang ihr ausgezeichnet. Warum sie es tat? Wieder mal tat? So genau wusste sie es auch nicht. Aber in ihr war die Sehnsucht, diese unwürdige Situation zu beenden, egal wie auch immer. Alles war schöner und erstrebenswerter, als Henry noch länger auf diese unwürdige Art ausgeliefert zu sein.
    »Du hast mit anderen Männern geschlafen?«
    Sarah sah Henry mit all ihrer verbliebenen Verachtung an und lächelte wissend.
    Und ihr Lächeln wirkte. Erneut schlug Henry sie zusammen. Sarah sah das Ende auf sich zukommen. Sie verlor die Besinnung mit der Überzeugung, dass dies ihr Ende sei. Nun war sie tot. Endlich tot. Auch ohne Brücke.

Er
    Der Polizeibeamte schaute von seinen Unterlagen auf, sein Besuch war pünktlich, wie telefonisch angekündigt. Unauffällig musterte er den großen, blonden Mann mit dem Aussehen eines Filmschauspielers von der Seite. Natürlich kannte er ihn. Alle kannten sie ihn hier in Saarburg.
    Im Augenblick sah er mitgenommen aus. Tiefe Falten im Gesicht, viel zu tief für sein Alter, die Haut etwas fahl, fast grau, und sein Gang schleppend und nicht von jener Spannung, wie man sie normalerweise an ihm beobachten konnte. Eine Spannung und eine Dynamik, die signalisieren sollte: Alle aus dem Weg, jetzt komme ich. Wage nicht, es mit mir aufzunehmen.
    »Bitte setzen sie sich, Herr von Rönstedt.« Der Zivilbeamte Breuer wies auf einen Stuhl. »Hat sie immer noch nichts von sich hören lassen?«
    Henry schüttelte den Kopf. »Seit wir vor zwei Tagen miteinander telefoniert haben, war ich auf der Suche nach ihr. Nichts. Keiner unserer Freunde weiß etwas.« Und enttäuscht fügte er hinzu: »Allerdings sind die meisten auch noch in Urlaub.«
    »Gut, dann wollen wir mal eine Vermisstenanzeige aufgeben.« Halbherzig war der Beamte bei der Sache, denn solche Vorkommnisse klärten sich meist leicht auf. Und dieser seiner Ansicht nach besonders leicht, denn Frau von Rönstedt hatte ihrem Mann aus Konstanz einen Brief geschickt, wie er am Telefon gesagt hatte.
    »Haben Sie den Brief dabei?«
    Henry griff in die Innentasche seiner Jacke und zog einen Umschlag hervor, den er dem Beamten gab.
    Der betrachtete sich ihn ganz professionell

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