Das Erwachen
dass sie glücklich verlaufen ist ... obschon ich glaube ... und hier muss ich mich ein wenig korrigieren, meine Herren, was ist denn das?«
Wie ein Mann drehten sie sich in die Richtung, in die er deutete, nämlich flussaufwärts, wo sich hinter einigen Wiesen an einer Biegung des breiten, mäandernden Flusses eine dunkle Wand auftürmte, die rasch näher kam.
»Das ist ...«, begann Barklice mit zitternder Stimme.
»Das ist eine ...«, fuhr Stort fort.
»Das ...«, erklärte Arnold, dem fast die Augen aus dem Kopf fielen. »Das ist eine ...«
»Eine Welle«, sagte Bratfire, »eine riesige Welle.«
Die dunkle Wasserwand wühlte die Flussufer auf, entwurzelte Büsche und wälzte in ihrem Schlund zwei tote Schwäne nebst Jungen, ein zerschelltes Boot, verschiedene Rundhölzer und einen kompletten Baum, dessen Geäst das Wasser schaumig schlug.
Arnold, der im Bug des Bootes stand, kam sich wie ein Zwerg vor. Er hatte schon große Wellen gesehen, aber eine Welle wie diese war ihm noch nie untergekommen. Noch hatte er je von einer solchen gehört. Bei ihrem Anblick konnte einem das Blut in den Adern gefrieren.
Aber nicht ihm.
Er stand gelassen da, hielt in der einen Hand das Ruder und holte mit der anderen das Besansegel ein.
»Haltet euch am Schandeckel fest, Leute, und du Bratfire, du hältst dich am Ledergürtel von deinem Pa fest! Master Stort, halten Sie das, und halten sie es gut, denn mein Leben hängt daran.«
Er legte für einen Augenblick das Ruder weg und hob eine Taurolle auf, die für Notfälle stets griffbereit lag, auch wenn er einen Notfall wie diesen noch nie erlebt hatte.
Er schlang sich das Tau um den Bauch, band es mit einem lockeren Knoten fest und warf Stort das andere Ende zu.
»Halten Sie mich fest, Master Stort, halten Sie mich gut fest, aber schwören Sie beim heiligen Spiegel, dass Sie mir nicht folgen, wenn Sie mich über Bord gehen lassen. Schwören Sie es!«
Stort murmelte, dass er darüber nachdenken müsse.
»Wenn Sie tot sind, sind Sie zu nichts mehr nutze, Master Stort!«, rief Arnold. »Also schwören Sie.«
»Ich schwöre, dass ich alles tue, was in meiner Macht steht, Arnold«, sagte Stort.
»Sie sind ein Sturkopf von einem Wunderknaben, jawohl, das sind Sie!«, rief Arnold, kurz bevor die Welle über sie hereinbrach. »Schwören Sie!«, wiederholte er, als das Boot durch die Gischt nach oben schoss.
»Nein«, brüllte Stort und wickelte sich das Tau um den Arm. »Das werde ich nicht!«
Dann traf sie die Hauptwucht der Welle. Ein heftiger Ruck erschütterte das Boot, als hätte es einen riesigen Balken gerammt.
Arnold lehnte sich in die Wasserwand, die über sie hereinbrach.Er hielt das Ruder fest umklammert, stemmte seinen Körper gegen Kräfte, denen er allein nicht standhalten konnte.
Das Wasser hüllte Arnold ein, das Tau spannte sich. Stort spürte einen schmerzhaften Ruck in seinem Schultergelenk. Dann rutschte er nach vorn, stieß dabei gegen die Quersitze und zertrümmerte einen nach dem anderen.
Plötzlich wurde er zur Seite gerissen. Hätte sich sein Fuß nicht in einem Spant des Bootes verkeilt, wäre er über Bord gegangen.
Aber er ließ das Tau nicht los.
Schließlich war die Riesenwelle vorüber. Das Boot schaukelte nur noch auf ein paar kleineren, die folgten. Da sah Stort, dass sein Jackenärmel abgerissen war, und dort, wo er gesessen hatte, lag sein Fleisch blank und blutete.
Doch das Tau saß noch fest, und Arnold hing noch am anderen Ende, ob tot oder lebendig, das wusste er nicht.
»Helfen Sie mir, Barklice!«
Alle halfen mit, Arnold wieder an die Oberfläche des brodelnden Wassers zu ziehen, ehe er sich aus eigener Kraft ins Boot wuchtete.
»Das war vielleicht eine Welle, Master Stort«, sagte er aufgeräumt, als er triefend an Bord stand. »Ich danke Ihnen, dass Sie mich festgehalten haben, sonst hätte mich der Fluss verschlungen und womöglich nie wieder ausgespuckt.«
»Seht!«
Es war Bratfire. Als wäre nichts geschehen, deutete er auf ein Wäldchen am Ufer. Sämtliche Bäume waren umgeknickt, und das Land und die Felder ringsum boten ein Bild der Verwüstung, so bemitleidenswert wie ein gefallener großer Krieger oder ein Tier, dessen Rückgrat gebrochen war.
Dieser traurige Anblick brachte Bedwyn Stort auf einen anderen, neuen und wahrhaft beängstigenden Gedanken.
»Sie scheinen mir nicht ganz bei sich zu sein«, sagte Barklice, als sie sich abgetrocknet und das Boot ausgeschöpft hatten und die Fahrt fortsetzten.
»Das
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