Das Erwachen
Verlust jener besonderen Energie und Willenstärke unterworfen sein, die für diese Art des Kämpfens benötigt werden.
Das plötzliche Licht des Steins, dem Thwart seine Rettung verdankte, hatte an Slews Kräften gezehrt. Dazu die Gegenwehr, die Brif geleistet hatte, vielmehr Brif und sein Knüppel. Die Kraft des älteren Hydden hatte ihn überrascht. Er hatte all sein Können und seine Stärke aufbieten müssen, um ihn zu bezwingen.
So waren ihm gerade genug Schattenkräfte geblieben, um aus der Bibliothek zu entkommen, den Hauptplatz zu überqueren und in die Gassen dahinter einzutauchen, ehe er in einem Hauseingang stehen bleiben musste, um Atem zu schöpfen und sich ein wenig zu erholen.
Gleichwohl war er nicht übermäßig besorgt, als er seine Verfolger hörte. Slew war ein Hydden, der sich gern gegen alle Eventualitäten absicherte. Er hatte damit gerechnet, dass bei seiner Flucht Komplikationen auftreten könnten. Zwar hatte er dabei nie an einen Verlustseiner Schattenkräfte gedacht, doch für den Fall, dass er Unterstützung benötigen sollte, hatte er vorgesorgt.
Harald und Bjarne, zwei der Nordländer, gegen die er vor dem Muggy Duck gekämpft hatte, waren von seinen außergewöhnlichen Fertigkeiten als Kämpfer beeindruckt gewesen. Sie waren Zwillingsbrüder, und ihre Reise nach Brum wurde weniger von dem Wunsch getragen, Pilgerstätten zu besuchen, als vielmehr ihrem Leben eine neue Richtung zu geben.
Slew war zu dem Schluss gelangt, dass sie ihm als Reisegefährten von Nutzen sein konnten. Seine Loblieder auf Bochum und die Möglichkeiten, die sich dort boten, sein natürliches Charisma und seine erklärte Absicht, Brum in Bälde zu verlassen – wobei er den Grund und den genauen Zeitpunkt offenließ – hatten sie veranlasst, ihm ihre Dienste anzutragen.
Sie hatten sich für denselben Vormittag in einer schäbigen Taverne in Digbeth verabredet, wobei die Nordländer Slews Rucksack bei sich trugen, damit seine bevorstehende Abreise in der Bibliothek ein Geheimnis blieb. Als Slew am Treffpunkt erschien, brachen sie unverzüglich auf, ohne zu fragen, was er getan hatte.
Der Wächter am Osttor, der furchteinflößende Bilgener Tirrich, stellte allerdings Fragen. Das war seine Aufgabe.
Warum die beiden ohne die Freunde abreisten, mit denen sie gekommen seien? Und warum sie jetzt mit einem Geistlichen reisten, der so gar nicht zu ihnen passen wollte?
Ihre Erklärungen überzeugten ihn nicht, aber drei gegen einen war keine günstige Voraussetzung, um so wehrhaft aussehende Hydden gegen ihren Willen festzuhalten, und so ließ er sie passieren. Kaum aber waren sie außer Sicht, schickte er eine Personenbeschreibung an Pike, wie er es unter solchen Umständen immer tat.
Es war zu spät. Als Pike ihn zwei Stunden später von dem Diebstahl des Steins unterrichtete, waren die drei längst über alle Berge und die Chance, sie aufzuhalten, vertan.
Slew hatte geahnt, wohin Tirrichs Fragen führen konnten, und zu Recht befürchtet, dass man sie weiter verfolgen würde. Also hatte er seine Mönchskutte abgelegt und eine Route eingeschlagen, die auf Umwegen nach Maldon führte, wo ihn Borkum Riff wie verabredet an Bord nehmen sollte.
Die beiden Nordländer waren merkwürdige Zwillinge. Harald war groß, breitschultrig und blond, Bjarne klein, untersetzt und dunkelhaarig. Aber sie waren ein Herz und eine Seele.
»Wir waren ganz auf uns allein gestellt, als die vermaledeiten Leute aus Bergen Tod und Zerstörung über unser Küstendorf gebracht haben. Seitdem geben wir aufeinander Acht«, erklärte Bjarne, der Gesprächigere der beiden.
»Und wir überlegen, was wir als Nächstes tun«, setzte Harald hinzu.
»All die Jahre habt ihr überlegt?«, fragte Slew. »Und habt nie eine Sache oder Person gefunden, der ihr euch anschließen wolltet?«
»Wir haben nie jemanden getroffen, der uns im Kampf besiegen konnte, so wie Sie, Bruder.«
Slew mochte die Anrede Bruder. Sie hatte etwas Tröstliches und Verbindendes, und seit dem Diebstahl des Steins hatte er das Gefühl, das zu brauchen.
Der Stein lag schwer in dem Beutel in seiner Innentasche, aber Slew sprach nicht darüber. Er störte sein inneres Gleichgewicht und verwirrte sein Denken. Er überschwemmte ihn mit Gefühlen, die ihm nicht behagten. Er setzte ihm Zweifel in den Kopf.
Aus diesem Grund waren ihm Harald und Bjarne als Begleiter willkommener, als er erwartet hatte.
»Die Mehrzahl von Bruder ist Brüder«, sagte er. »Wir wollen sehen, wo uns
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