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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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kann mich nichts mehr aufhalten!«
    Doch in einer dunklen, stürmischen Nacht, in der die Jahreszeiten wechseln, ist Logik nicht immer die beste Führerin.
    Augenblicke später marschierte er geradewegs auf einen großenund sehr stabilen Holzpfahl zu, der vor ihm in die Nacht ragte und den vor einigen Jahren Menschen hier aufgestellt und mit einer Warnung bepinselt hatten, die er im Dunkeln nicht sehen konnte. Hätte er es gekonnt, so hätte er Folgendes gelesen: ACHTUNG ! TIEFES WASSER !
    Der Pfahl markierte einen Kanal, der zu seiner Linken in den Fluss mündete, und einen Steg, der sicher über ihn hinwegführte.
    Bums!
    Stort prallte zurück. Benommen bog er nach rechts statt nach links ab. Er verfehlte den schmalen Steg, verlor den Halt und stürzte kopfüber in den Kanal.
    Platsch!
    Eine neue und beklemmendere Dunkelheit umfing ihn, als ihn der schwere Rucksack unter die Oberfläche zog. Kaltes, schlammiges Wasser drang in seine Lunge. Seine Hände tasteten nutzlos den Grund und die Wände des Kanals ab.
    Seine Füße wurden nach einer Seite gezogen, sein Oberkörper nach einer anderen, und seine Gedanken drifteten in eine ganz andere Richtung. Eine ohnedies schon schreckenerregende Nacht hielt noch größeren Schrecken für ihn bereit. Als die Kälte noch eisiger wurde, Wasser seinen Mund füllte, und das Brennen in seiner Brust immer heftiger wurde, da begriff Stort, dass er drauf und dran war zu ertrinken.
    Ich darf nicht ... der Stein ... die Schildmaid ...
    Er tastete umher, bis er etwas zu fassen bekam, das sich wie die Wurzel eines Baums oder Strauchs anfühlte. Er zog sich näher heran, spürte Grund unter den Füßen und stieß sich so kräftig und schnell wie möglich nach oben.
    Er durchbrach keuchend die Wasseroberfläche, wurde von der Strömung herumgedreht. Hätte er sich nicht an die Wurzel geklammert, wäre er womöglich auf den Fluss hinausgetrieben worden, den er wohl hörte, aber nicht sah.
    Wasser schoss aus seinen Kleidern und seinem Rucksack, als er die Böschung hinaufkrabbelte. Oben angekommen, sank er auf den aufgeweichten Boden, schnappte nach Luft und spie Schlamm und Laub aus.
    Als er die Augen wieder aufschlug, brach die Dämmerung an.Er sah jenseits des Kanals den Pfahl, gegen den gelaufen war, den Steg, den er verfehlt hatte, und neben sich auf der Erde seinen Knüppel.
    Er ergriff den Knüppel, rappelte sich zitternd auf, stapfte über die Brücke und marschierte am Ufer entlang. Zum hundertsten Mal vergewisserte er sich, ob er den Stein noch hatte, blieb abermals stehen, um ihn sich anzusehen, obwohl er wusste, dass dies möglicherweise ein Fehler war. Er tat es dennoch.
    Plötzlich drehte sich der Anhänger in seiner Hand. Überrascht beobachtete er, wie die Kette sich wand wie eine Schlange. Ein helles, blendendes Licht leuchtete auf und tauchte alles in ein sattes Frühlingsgrün, auch ihn selbst. Mit einem Mal überkam ihn die Lust, zu singen und zu tanzen, und er bildete sich ein, im Geäst der Bäume das Turteln von Liebesvögeln und im nahen Fluss das fröhliche Plätschern springender Fische zu hören.
    Eine Welle von Energie überschwemmte ihn, begleitet von köstlichem Übermut und frühlingshaften Gefühlen. Doch sein angeborener Überlebensinstinkt war stärker als jeder Wunsch zu rennen, zu springen, zu tanzen oder zu singen.
    Unter lobenswerter Aufbietung äußerster Willenskraft verharrte er, wo er war, steckte den Anhänger mit dem leidigen Stein wieder ein und setzte zum wiederholten Mal seinen Weg fort.
    »Das war knapp«, sagte er sich. »Um ein Haar hätte ich ... ich meine, ich hätte ohne weiteres ... ich ...«
    Die Ereignisse der Nacht, die damit verbundenen, aufreibenden Erlebnisse und die eigentümlich beunruhigende Wirkung des Steins, forderten schließlich ihren Preis.
    Im Gehen glaubte er zu sehen, dass die Sonne schneller aufging als sonst, und die Wellen des Flusses schienen wie Hände aus Wasser nach ihm zu greifen.
    »Sie wollen mir den Stein stehlen!«, sagte er sich.
    Rohrkolben stießen gegen seine Beine.
    »Auch die wollen ihn stehlen!«, rief er.
    Mitten auf dem Weg tauchte eine tiefe Pfütze auf.
    »Sie möchte, dass ich hineinfalle, damit die Erde selbst mir den Stein wegnehmen kann.«
    Mal rannte, mal schlich er, und immer wieder blickte er verstohlennach hinten und schwang drohend den Knüppel. Alles machte ihm Angst.
    »Ich werde mich niemandem beugen, der versucht, ihn mir zu stehlen!«, rief er laut.
    Vor ihm tauchte ein

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