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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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Weißdornbusch auf, und ein Stück dahinter das Westtor von Brum.
    »Fast zu Hause«, murmelte er, »aber wem kann ich noch trauen? Und doch ... dieser Busch ... ein Weißdorn ... ein harmloser, sympathischer Strauch ... vielleicht könnte ich für einen kleinen Augenblick ... den Knüppel weglegen, den Rucksack abnehmen und mich hinsetzen. Ja, meinem Rücken ein wenig Ruhe gönnen ... Dann kann ich darüber nachdenken, was ich tun soll ... nur ein kleines Weilchen ...«
    Bedwyn Stort setzte sich, schloss die Augen und war weg.

6
WIRKLICHKEIT
    W elche Hoffnungen und Träume Katherine und Jack auch mit der Geburt ihres Kindes verbunden haben mochten, sie zerstoben an der Wirklichkeit, die sie erwartete, als in Judiths ersten Lebensstunden die Sonne aufging.
    Ihr Schreien war anders als alles, was sie jemals gehört hatten. Es bohrte sich in ihre Ohren, ihre Köpfe und ihre Herzen. Es war wie eine Drohung mit einem rotglühenden Messer und forderte sofortige, unbedingte Aufmerksamkeit.
    Katherine schien, schwach, wie sie war, mehr darunter zu leiden als Jack.
    Sie hielt Judith im Arm, versuchte sie zu stillen, streichelte sie, redete ihr gut zu, doch das Schreien wollte nicht enden, es kam Welle um Welle und verlangte gebieterisch nach Zuwendung und Hilfe. Bäh bäh bäh bäh bäh bäh bäh.
    »Ich weiß nicht, was ihr fehlt ...«
    Es war offensichtlich, dass sie von Schmerzen gepeinigt wurde, und Katherine hätte alles getan, um ihr die Schmerzen abzunehmen, hätte sie nur gewusst, wie.
    Für Jack war das Schreien etwas leichter zu ertragen. Er musste sich um verschiedene andere Dinge kümmern und die beiden warm halten. Diese und andere Pflichten lenkten ihn ein wenig von Judiths Qualen ab.
    »Bäh, bäh, bäh, bäh, bäh, bäh ...«
    Aber es kam noch schlimmer. Während Judith in Katherines Armen schrie, rollte sie sich zusammen, wurde rot und heiß im Gesicht, und ihr Mund, bei der Geburt noch so schön, verzerrte sich vor Schmerz und wurde hässlich.
    »Kannst du nicht ...«, begann Jack, ebenso entsetzt und panisch wie Katherine.
    Kannst du nicht was?
    Er hatte keine Ahnung.
    Drüben im Haus ging ein Fenster auf, dann die Tür des Wintergartens.
    Verdutzt hörte Judith auf zu schreien, drehte den Mund zu Katherines Brust und begann zum ersten Mal zu saugen.
    Katherine betrachtete sie erstaunt, ließ ein leises »Oh« vernehmen und lächelte, von aller Angst befreit.
    Jack traten Tränen in die Augen.
    »Du bist ja ein Softie«, sagte Katherine und reichte ihm die Hand. Ihre Verzweiflung wich grenzenloser Freude.
    »Ich glaube, drüben im Haus haben sie uns gehört ... Sie werden gleich den Schock ihres Lebens bekommen ...«
    Augenblicke später erschienen Katherines Adoptivgroßeltern, Margaret und Arthur Foale. Sie passten in die Rolle: beide Ende siebzig, etwas steif in den Gelenken, die grauen Haare vom Schlaf zerzaust.
    Margaret kam zuerst, angelockt vom Schreien des Kindes.
    Arthur folgte dicht hinter ihr, in der Hand einen Hockeyschläger, denn wer immer hier draußen sein mochte, vielleicht war er gefährlich. Wanderer möglicherweise, auf jeden Fall aber unbefugte Eindringlinge. Heutzutage wusste man nie ...
    Sie spähten zaghaft in das Henge, das Arthur vor Jahrzehnten angelegt hatte, indem er vorhandene Bäume gefällt und einige neue gepflanzt hatte.
    Als Jack sich ihnen zuwandte, weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen, und Arthur verstärkte den Griff um den Schläger.
    Sie hatten Jack vor zwei Jahren zum letzten Mal gesehen und erkannten ihn nicht. Er war größer und kräftiger geworden und hatte etwas Ungeschlachtes, Bedrohliches an sich.
    Sein plötzliches breites Grinsen lieferte ihnen den einzigen Hinweis, aber genau den richtigen.
    »J... Jack?«, flüsterte Margaret.
    »Katherine?«, fragte Arthur.
    »Hallo«, sagte Jack und rutschte an Katherines Seite, die auf dem Boden hockte und das Baby stillte.
    »Katherine!«, rief Margaret, stürzte zu ihr und sank auf die Knie.
    »Es ist heute Nacht passiert ... wir ...«
    »Wir hatten keine Zeit mehr«, sagte Jack.
    »Aber ...«, begann Margaret, Panik in der Stimme.
    »Es ist alles gutgegangen«, sagte Katherine. »Nur ...«
    »Ach, Katherine«, hauchte Margaret und legte die runzeligen Arme um sie und das Kind.
    Arthur ergriff, seiner Erziehung entsprechend und dem Anlass gemäß, Jacks Hand und drückte sie ziemlich förmlich.
    »Gut gemacht!«, sagte er.
    Jack lachte und umarmte ihn.
    »Uff!«, stöhnte Arthur. »Du bist stark geworden

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